Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
übrigens darum, kein Watchman kam auf den Gedanken einzuschreiten; wahrscheinlich balgten sich die Unglückseligen um irgendeinen verspäteten Passanten mit dieser Erbitterung, die voll verführerischer Versprechungen steckte. Eine der Jüngeren, eine Vestalin wider Willen, wenn man ihren Worten Glauben schenkt, ließ diesbezüglich sogar eine kuriose Bemerkung fallen; doch der Romane, der die Kühnheit der Worte besitzt, ist nicht kühn genug, um sie hier zu übersetzen, und selbst der Grieche würde es nicht wagen.
Dieses Sittenbild währte recht lange; das Weibervolk verfluchend, war es Jacques doch gelungen, wieder in den Schlaf zu sinken, als ihn eine volltönende Stimme neuerlich weckte; es war nicht auszuhalten, also stand er auf, öffnete das Fenster, lehnte sich hinaus und erblickte einen vornehmen, adrett gekleideten Gentleman, der in einer Droschke Posaune spielte. Die langen Röhren des Instrumentes ragten beim Fenster des Wagenschlags heraus; der englische Musikliebhaber vergnügte sich auf diese Weise ganz allein, indem er um Saint George’s Hall herumfuhr, und seine kräftigen Lungen schleuderten, man muß es wohl sagen, denn es ist die reine Wahrheit, das
Ricordati, ricordati
aus dem
Trovatore
schwungvoll in die Luft. Und jedesmal, wenn sich während der Kreisfahrt des Fuhrwerks der Schalltrichter des Instrumentes auf das Queen’s Hotel richtete, ertönte dieses gräßliche
Ricordati
in den scheußlichsten Noten.
»Immer und immer wieder der
Trovatore!«
sagte Jonathan.
»Es ist eben eine typisch englische Musik, mit der Stärke von fünfzig Pferden!«
Schließlich siegte die Müdigkeit über den Lärm, und bei Tagesanbruch sprangen die beiden Touristen aus dem Bett, um andere Teile der Stadt zu besichtigen; zunächst betraten sie Saint George’s Hall, wo sie eine gewaltige Orgel bewundern konnten, die neunzig Register besitzt und deren Bälge mit Hilfe von Dampf bewegt werden. Dann lenkten sie ihre Schritte zu den zwei schönen Kirchen Saint Peter’s und Saint Paul’s, deren Mauern von einer dicken Rußschicht überzogen scheinen; aber nachdem diese dunklen Farbtöne eine Menge Einzelheiten verbergen, passen sie eigentlich recht gut zu dieser schwerfälligen und vierkantigen angelsächsischen Architektur. Sie kamen an einem Gymnasium in gotischem Stil vorüber, durchquerten anschließend den Innenhof der Börse, den eine große Bronzegruppe schmückt, und spazierten am Zollamt entlang, das am Hafen einen recht monumentalen Anblick bietet. So gelangten sie bis zum New Prince’s Dock, wo der Kanal von Leeds nach Liverpool beginnt; sie wollten noch einmal die unermeßliche Ausdehnung der Hafenbecken sehen und kletterten deshalb auf die obere Etage eines Omnibusses, der auf seiner Strecke an der Außenmauer der Docks entlangfährt. Als sie einem anderen Omnibus begegneten, entdeckten sie auf der Plattform den guten und ehrenwerten Kapitän Speedy; rasch winkten sie einander zu, und gegen Mittag betraten Jacques und Jonathan die Säulenhalle des Queen’s Hotel.
Hier wurde ihnen ein respektables Mittagessen aufgetischt, bestehend aus kaltem Fleisch, Bier, Tee und Röstbroten, die hier unter dem Namen Toasts in einem silbernen Gerät serviert werden, und sie ließen es sich vorzüglich schmecken. Dann wurden die Kosten beglichen, ohne die
attendance
zu vergessen, und gefolgt vom Hotelboy, der ihre Koffer trug, begaben sie sich zum Caledonian Railway.
Wartesäle gibt es in den Bahnhöfen der englischen Eisenbahn kaum oder überhaupt nicht; die Abfahrtszeiten sind genau festgelegt, aber die Preise ändern sich mit der Geschwindigkeit der Züge; die Büros für die Fahrkartenausgabe sind lange im voraus geöffnet, und jedermann kann seinen Platz frei wählen und sich in seinem Abteil ausstrecken, sobald es ihm beliebt. Jacques, der zeigen wollte, wie gut er sich aus der Affäre ziehen konnte, schritt auf das Büro zu und sagte mit seiner feierlichsten Stimme:
»Two tickets of second class, if you please, for Edinburgh.«
Er hatte dafür all seine Englischkenntnisse aufgewandt und nahm die beiden Fahrkarten zweiter Klasse stolz entgegen; was den Preis anging, so überließ er es seinem Freund, ihn auszuhandeln, denn dies überstieg seine Fähigkeiten. Niemand verlangte von ihnen, daß sie ihr Gepäck aufgeben sollten, und so verfrachteten sie es in ihren Waggon und warteten ungeduldig auf den Augenblick der Abfahrt. Eine Stunde später war es endlich soweit; die Lokomotive pfiff viel
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