Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Titel: Reise mit Hindernissen nach England und Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Mitte zusammengebundene Schürze tragen; Waggons, die auf Bahngeleisen dahingleiten und ihr verschlungenes Band kreuzen; absonderliche Maschinen, die sich für die verschiedensten Verwendungen eignen, Kräne, Hebeböcke, die gesamte Menagerie der Mechanik, die unablässig arbeitet, Ballen, Säcke, dickbäuchige Kisten voller Waren wegschafft; mitten in diesem Ameisenhaufen das Zischen von Dampf, das Rasseln der Küstenschiffe, das Knirschen von Ketten oder das Hämmern der Kalfaterer, die an den Schiffsflanken baumeln, das matte Dröhnen der Wagen auf den Drehbrücken und die Hufeisen der Pferde, die über Metalldeckel klappern, das Plätschern des Wassers zwischen den aneinanderstoßenden Schiffen, das Pfeifen des Windes in diesem Mastenwald und weiter entfernt das dumpfe Gemurmel der ansteigenden Flut – das alles sieht und hört man in diesen Hafenbecken, in denen ein ganzes Meer eingedeicht wurde, das ist die Geschäftigkeit, der Verkehr, der Lärm, kurz gesagt das Gesicht der Docks von Liverpool!

Sechzehntes Kapitel
Den englischen Sitten auf der Spur
    Nach einem langen Spaziergang, auf dem die beiden Freunde diese wundervollen Dinge in ihrer Gesamtheit erfaßten, ohne sich mit den Einzelheiten aufzuhalten, standen sie auf einem weitläufigen Schwebequai, der von Blechflößen getragen wurde; dieses bewegliche Dock hob und senkte sich mit den Gezeiten und machte es dadurch den Passagieren immer leicht, sich an Bord der Dampfer nach Birkenhead zu begeben. Für diese Fahrt über den Mersey wird eine gewisse Anzahl von
steamboats
eingesetzt, die am Bug und am Heck mit einem Ruder ausgestattet sind; indem der Steuermann abwechselnd jenes feststeckt, das als Vordersteven dienen soll, braucht er nicht zu wenden und spart kostbare Zeit. Diese Schiffe sind immer mit Reisenden überfüllt, und obwohl die Überquerung kaum zehn Minuten dauert, sind sie mit einem Kompaß ausgerüstet, der wegen der häufigen Flußnebel benötigt wird, denn diese erlauben es nicht, das gegenüberliegende Ufer zu sichten.
    Jacques stürmte auf eines dieser Schiffe, riß seinen Begleiter mit sich, und um den bescheidenen Preis von
one penny
fuhren sie nach Birkenhead. Eine vollkommen durchmischte Gesellschaft füllte das Deck: Es gibt keinerlei Unterschied zwischen den Plätzen erster und zweiter Klasse; Fischhändlerinnen, Arbeiter und Kaufleute sitzen auf den Bänken nebeneinander, ohne sich um ihre Nachbarn zu kümmern; jegliche Unterscheidung würde das britische Gleichheitsprinzip verletzen. Jonathan saß neben einem armen Mädchen, das nach vollendetem Tagewerk mit seinem leeren Korb nach Birkenhead zurückkehrte; es tat weh, die sanften und anmutigen Züge seines erschöpften Gesichts zu sehen: Sein Kopf war auf die Brust herabgesunken, seine nackten Füße übereinandergekreuzt, und die teilnahmslose Nachlässigkeit seiner Haltung machte eine tiefe Resignation deutlich, der jede Hoffnung fehlte. Jonathan knüpfte ein Gespräch mit diesem armen Kind an; seine Mutter war bei der Geburt eines fünften Kindes gestorben, und der Vater ließ seine unglückliche Familie ohne jede Hilfe im Stich; als Älteste unter den Geschwistern mußte das junge Mädchen für die vier anderen Kinder sorgen, und es gelang ihm, sie nicht eigentlich zu ernähren, sondern nur den Augenblick hinauszuzögern, in dem sie Hungers sterben würden. Es erzählte von seinem Leid trockenen Auges, denn seine Tränen waren seit langem versiegt. Nichts konnte herzzerreißender sein als diese Geschichte, die für so viele Arbeiter von Liverpool etwas ganz Alltägliches war. Jonathan schenkte der kleinen Verkäuferin ein paar Münzen, und diese schien insbesondere darüber zu staunen, daß ein Fremder ihrem Schmerz Interesse entgegenbrachte; nach der Ankunft am Pier von Birkenhead verschwand sie schnell, ohne sich noch einmal umzudrehen. Welches Schicksal erwartet dieses arme Mädchen, ein elendes, wenn es sich der Erfüllung seiner Pflichten verschreibt, ein schändliches, wenn es die Ratschläge seiner gefährlichen Schönheit befolgt!
    Jacques und Jonathan kehrten zum Quai der Hafenbecken zurück; die Stunde ihrer Verabredung mit Joe Kennedy trieb sie zur Eile, und in einem dichten Nebel, den das Gaslicht der Laternen kaum durchdrang, gingen sie zur Taverne. Bei Einbruch der Nacht schließen übrigens Geschäfte und Läden, der Handel begibt sich zur Ruhe, und die Straßen bleiben in einer beinahe vollkommenen Dunkelheit zurück.
    Die beiden Gäste von Mister Kennedy

Weitere Kostenlose Bücher