Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
vor Beendigung der Arbeit verrotten.
Nachdem die beiden Freunde am Ende der Princes Street bei der Saint John’s Kirche angekommen waren, bogen sie links in die Lothian Road ein und spazierten am Bahnhof des Caledonian Railway entlang; sie hatten die Absicht, um den Felsen herumzugehen, auf dessen Gipfel das Schloß von Edinburgh wie ein Adlernest hockt. Dieser Hügel bildete einst die gesamte Stadt Edinburgh, die verqualmte Alte:
Auld Reekie,
nach ihrer volkstümlichen Bezeichnung. Sie erstreckt sich in gerader Linie vom Schloß bis zum Holyroodpalast, über die High Street und die Vorortstraße Canongate, und wird durch sehr hohe Brücken mit den zwei anderen Hügeln verbunden, auf denen sich die Neustadt im Norden und die Vororte im Süden ausbreiten. Diese Unebenheiten im Gelände eignen sich vorzüglich für Prachtbauten und Aussichtspunkte, und sie wurden in Edinburgh auch genutzt, was der Stadt den Namen Athen des Nordens eingetragen hat; stolz auf ihre Universität, ihre Gymnasien und philosophischen Schulen, ihre Dichter und Redner, erhebt sie im übrigen Anspruch auf diesen ruhmreichen Namen sowohl was ihr Aussehen als auch ihre geistige Verfassung betrifft.
Als sie über den Grass Market schlenderten, machte Jacques seinen Freund auf den schroffen und wilden Charakter des alten Felsens aus grünem Basalt aufmerksam, der von der Schloßanlage gekrönt wird. Diese Esplanade diente einst als Richtplatz, und Walter Scott ließ auf ihr eine der packendsten Episoden aus dem
Gefängnis von Edinburgh
spielen, Hauptmann Porteous’ Tod am Galgen; Jacques, der sich vor seiner Abreise mit dieser heilsamen Lektüre genährt hatte, machte auf Jonathan einen äußerst gelehrten Eindruck. Hier
arbeitete
der Lockman, der Henker, so genannt aufgrund seines Vorrechts, ein wenig Mehl aus allen Säcken zu nehmen, die auf dem Markt der Stadt feilgeboten wurden. In einer engen Gasse ganz nahe an diesem Platz haben sich die blutigen Dramen von Burke dem Würger zugetragen.
Die beiden Freunde kamen in der Nähe der Kathedrale und des Parlamentsgebäudes auf die High Street und konnten diesen zwei Bauwerken nur eine zerstreute Aufmerksamkeit schenken. Die Saint-Giles-Kirche dünkte ihnen, ein recht schwerfälliges Exemplar der angelsächsischen Gotik zu sein, und das Parliament House ist ein nichtssagendes Monument an der Ecke eines Platzes, in dessen Mitte die Statue, genauer gesagt eine schlechte Reiterstatue, von Charles II. emporragt.
Als Jacques
Das Gefängnis von Edinburgh
gelesen hatte, war in ihm eine archäologische Liebe für das alte Gefängnis Tolbooth aufgekeimt, in dem die arme Effie Deans so unsäglich gelitten hatte; diesen Teil des Romans hatte er besonders eingehend studiert, und er hoffte, mit seinen Kenntnissen glänzen zu können. Nach seinen Berechnungen mußte er nun bei diesem schaurigen Bauwerk angelangt sein, und er suchte begierig nach ihm, ohne jedoch die geringste Spur zu entdecken; er war untröstlich und teilte Jonathan seinen Kummer mit.
»Fragen wir doch einfach«, sagte dieser.
»Aber wen?«
»Einen Buchhändler, laß uns in diesen Laden hier gehen.«
»Gut, gehen wir hinein, und wenn man uns hier nicht weiterhilft, wird man uns nirgendwo weiterhelfen; wir stehen genau an jener Stelle, wo sich der Kellerraum der alten Mistress Macleuchar auftat; hier plauderte sie mit dem freundlichen Altertümler, der fluchend auf die Postkutsche nach Queensferry wartete, die Hagedornfliege genannt wurde! Mir scheint, ich sehe den Laird von Monkbarns vor mir, wie er durch Bow und Canongate trottete, auf der Suche nach einer unvollständigen Ausgabe oder einem jener kleinen Elzevirdrucke, die er dann triumphierend nach Hause trug!«
Während dieser Tirade hatte Jonathan das Geschäft betreten und kam nun wieder heraus, ohne irgend etwas erfahren zu haben; der wackere Buchhändler kannte nicht einmal einen Roman mit dem Titel
Das Gefängnis von Edinburgh.
»Das ist ein starkes Stück«, sagte Jacques.
»So ist es nun einmal.«
»Vielleicht konntest du dich nicht verständlich machen.«
»Doch, vollkommen.«
Später bekam Jacques eine Erklärung für diesen Umstand: Der fragliche Roman war in England niemals unter diesem Titel veröffentlicht worden, sondern unter dem Namen, den das alte Gefängnis früher trug, das Herz von Midlothian,
The Heart of Midlothian.
Midlothian ist der Name der Grafschaft, deren Hauptstadt Edinburgh ist; das Gefängnis existiert nicht mehr, es wurde 1817 zerstört, und
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