Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
wie so viele der Kirchen Englands von einem Friedhof umgeben, der noch unlängst in Betrieb war, um sich der Geschäftssprache zu bedienen. Doch seit einigen Jahren sind Finanzkompanien zur Schaffung von Friedhöfen in London gegründet worden: Die erste, nämlich die Kensal Green Cimetery C ny , hat großartige Abschlüsse getätigt; ihre Aktien werden zweifellos an der Londoner Börse notiert, und bestimmt zittern alle Leute, wenn sie steigen.
Jacques und Jonathan traten in das Innere der Kathedrale; sie waren verblüfft von ihrer kalten Helligkeit und ihrer erhabenen Kahlheit: keine Gemälde, nur ein paar lächerliche Denkmäler und ein paar schlechte Statuen zur Erinnerung an große Männer. Jacques warf einen gleichgültigen Blick auf diesen inneren Friedhof und begab sich zur Tür der Kuppeltreppe; er bat um die Erlaubnis, zur Laterne hochzugehen und erwirkte diese Gunst für einen Shilling sechs Pence. Nachdem sich die beiden Domsteiger eine ganze Weile auf Holzstufen im Kreise gedreht hatten, gelangten sie zu einer inneren Galerie, die um die Grundlinie der Kuppel herumführt: Sie wird Flüstergalerie genannt, und ein kleines Männchen, das in diesem ehrenhaften Metier alt geworden war, lief ans andere Ende, um dort einen Seufzer zu tun, und sein Seufzer brauste wie ein Wirbelwind um die erstaunten Ohren. Endlich drang das Tageslicht durch ein Fenster, und die Gebälkgalerie lag vor ihren Augen.
Man hätte eine unvergleichliche Aussicht auf London, wenn der ewige Nebel nicht den Horizont einengen würde. An einem normalen Tag kann man den Lauf der Themse von den Docks bis zum Westminsterpalast verfolgen, allerdings lassen sich selbst dann die Türme dieses Palastes mehr erahnen als wirklich erkennen. Saint Paul’s zu Füßen liegt ein bezauberndes Häusermeer, aus dem die unzähligen Türme seiner dreihundert Kirchen herausragen; diese ganze gewaltige Fläche ist mit ihnen gespickt, wie mit den Figuren eines riesigen Spielbretts; Saint Paul’s ist der König und der Turm des Parlamentsgebäudes die Königin auf diesem unübersehbaren Schachbrett.
Nachdem Jacques dieses Schauspiel eine Weile betrachtet hatte, unter einer englischen Sonne, die durch ein milchiges Glas zu strahlen scheint, zog er Jonathan eine schmale Wendeltreppe hinauf; sie erreichten den Laufgang in der Laterne und händigten ihre Hüte
höher stehenden
Angestellten aus, wie Jonathan sie bezeichnete, und Jacques schwang sich eine Art Leiter empor, um bis in die Kugel zu kommen. Er mußte seine ganze Geschicklichkeit aufbieten, sich an den Kerben und Unebenheiten der Bronze festklammern; der Musiker blieb auf der Strecke, aber sein waghalsiger Gefährte gelangte
in the bowl,
die einen Durchmesser von zwei Metern hat und mit Müh und Not acht Personen fassen kann.
Sobald Jacques rittlings auf der Eisenstange saß, die der Kugel als Achse dient, hielt er Jonathan folgende Rede:
»Lieber Freund, ich glaube, nun ist der passende Moment gekommen, um dich in Anlehnung an Stendhal über die Höhe einiger berühmter Denkmäler zu informieren. Der Petersdom zu Rom ist vierhundertelf Fuß hoch, die Kathedrale von Straßburg vierhundertsechsundzwanzig, die große Pyramide vierhundertachtunddreißig, die Turmspitze des Invalidendoms in Paris dreihundertvierundzwanzig und die Kugel, in der ich augenblicklich hocke, befindet sich dreihundertneunzehn Fuß über dem Pflaster Londons. Und jetzt können wir wieder hinabsteigen!«
Dies war leicht zu bewerkstelligen, und wenig später erreichten sie das Ufer der Themse an der London Bridge. Die steinernen Treppen, die zu den Landungsstellen der Dampfschiffe führen, sind immer von Gruppen halbnackter Kinder belagert, die um Almosen betteln, indem sie Streichhölzer oder chemischen Zunder verkaufen. Die beiden Freunde nahmen auf einem jener Schnellboote Platz, die für
one penny
von der London Bridge zur Westminster Bridge fahren. Diese füllen sich in Windeseile mit Passagieren, und ihre hervorragenden oszillierenden Maschinen lassen sich mit größter Geschwindigkeit in Gang setzen. Die
Citizen
legte unverzüglich ab und kreuzte die
Sun,
die stromabwärts schwamm. Der Schiffsführer steht auf einer Schaufelradtrommel und zeigt durch seine offene oder geschlossene Hand alle Befehle an, die mit der lauten und schrillen Stimme eines Kindes an den Maschinisten weitergeleitet werden. Das
go ahead
erschallte, und das Schiff fuhr den Fluß hinauf.
Die Themse besitzt keine Quais, was ihr ein merkwürdiges
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