Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
bekamen ein großes, düsteres Zimmer, in dem breite Betten mit weißen Vorhängen standen, und eine jener unmöglichen Treppen führte zu ihm. Während Jacques sich der dringend notwendigen Körperpflege widmete, sagte er:
»Bisher haben sich die Reiseführer von Richard und anderen bemüht, Marschrouten zusammenzustellen, die es erlauben, London in kurzer Zeit zu besichtigen; die kühnsten unter ihnen nehmen wenigstens fünf Tage in Anspruch! Uns stehen nur zwei zur Verfügung, also werden wir London in zwei Tagen sehen!«
»Wir wollen keine Zeit verlieren und als erstes zur Post laufen, um die Briefe abzuholen, die uns womöglich geschickt worden sind.«
Jacques besaß einen Stadtplan, er studierte ihn sorgfältig, und die Exkursion begann.
Auf der London Bridge, die sie wieder überqueren mußten, herrscht um diese Uhrzeit ein ungeheuer reges Leben und Treiben; vier Reihen Wagen aller Art und aus allen Richtungen, Omnibusse, Cabs, Coupés, Droschken, Fässerkarren, Lastfuhrwerke, Kippkarren und Leiterwagen verstopfen die Fahrbahn. Die Pferde sehen in ihren blitzenden Geschirren prachtvoll aus; auf den Bürgersteigen drängt sich eine eilige, geschäftige, schweigsame Menschenmenge, und es hat überhaupt keinen Sinn zu versuchen, von einem Bürgersteig auf den anderen zu gelangen, denn dies ist mehrere Stunden hindurch einfach ausgeschlossen. Die London Bridge ist die letzte Brücke über die Themse vor dem Mündungsgebiet; hier ist für alle Schiffe Endstation, nur Dampfer und gewaltige Lastkähne fahren weiter flußaufwärts. Man kann sich leicht vorstellen, daß es auf einer Brücke, die City und südlichen Stadtteil miteinander verbindet, von Menschen wimmelt. Mit sprachlosem Staunen beobachtete Jacques diesen Wagenstrom, in dem jedoch nur ein kleiner Teil der dreitausend Omnibusse und viertausend Cabs der Stadt enthalten waren.
Auf der rechten Seite verschwand der Fluß unter den Steamern, die in alle erdenklichen Länder aufbrechen und nicht in den Docks abgestellt werden; auf der linken Seite wird er von kleinen Dampfschiffen durchfurcht, den
watermen,
die regelmäßig auf der Themse verkehren; vierzig oder fünfzig von ihnen fahren gleichzeitig hin und her, ohne sich in diesem breiten Flußbett zu behindern oder zusammenzustoßen. Sie drängten sich auch um die Landungsstelle, und die emsigen Passagiere warteten nicht einmal, bis der Laufsteg vom Quai ans Deck geschoben war, sondern setzten über die Schranke des vom Anlegeponton noch recht weit entfernten Schiffes und landeten in Scharen, wie Clowns, die über ein Sprungpferd hopsen.
Die London Bridge überquert die Themse in fünf langen granitenen Schritten und mündet in die King William Street; diese Straße führt am Brandmonument vorüber, einer hohen kannelierten Säule, die eine in Flammen stehende Urne trägt,
of the italo vitruvian doric order,
wie die Engländer sagen und behaupten. Diese Säule wurde genau an jener Stelle errichtet, an der die verheerende Feuersbrunst von 1666 aufgehalten wurde, die einen Großteil der Stadt in Schutt und Asche legte und über die Jacques eine großartige Beschreibung in dem anonymen Roman
Whitefinars
gelesen hatte. Der Hauptzweck dieses Denkmals bestand darin, den Engländern eine Möglichkeit zu bieten, sich samt ihrem Weltschmerz von seinem Kapitell in die Tiefe zu stürzen; aber als eine richtige Mode daraus entstand, wurde die Balustrade mit einem eisernen Käfig eingefaßt, durch den man zwar sehen, aber nicht mehr hinabfallen kann. Seither klettert niemand mehr auf dieses Denkmal hinauf. Es wird von einem Engländer erzählt, einem achtbaren Kaufmann, dessen Geschäfte in eine verzwickte Lage geraten waren und der, mit einer lobenswerten Voraussicht, eben an jenem Tag auf die Plattform stieg, als die Säulenspitze vergittert wurde. Nachdem er seinen Selbstmord nicht wie gewünscht hatte ausführen können, kehrte er in sein Büro zurück, versuchte nochmals sein Glück in der Spekulation und wurde mehrfacher Millionär. Heutzutage vertritt er die Ansicht, daß sich der Käfig oben auf dem Denkmal sehr gut ausnimmt, er ist der einzige.
Eine ganze Reihe langer Straßen führt von der William Street zum Postamt, hier ist man mitten in der City; die Läden gleichen Warenhäusern, und die Krämer wirken wie angesehene Kaufleute: Es herrscht eine ungewöhnliche Betriebsamkeit; man sieht keine Spaziergänger auf den Straßen, nur Geschäftsleute, die allesamt in der Lage zu sein scheinen,
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