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Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Titel: Reise mit Hindernissen nach England und Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Aussehen verleiht. Weitläufige Geschäfte, Fabriken, Gasometer,
warves, factories
und
warehouses
reihen sich an den Ufern aneinander und ermöglichen durch ihre Keller, in denen Waren verladen und entladen werden, einen direkten Zugang zum Fluß. Mehrere dieser Lagerhäuser sind mit hohen Türmen versehen oder nennen ihren Verwendungszweck in breiten und verschiedenartigsten Buchstaben: Am rechten Ufer mangelt es nicht an Fabriken. Die
Citizen
ließ ihren Schornstein herunter, der sich nach einem Drittel seiner Höhe zu einem Knie umbog, und fuhr unter den gußeisernen Jochen der Southwark Bridge und der Blackfriars Bridge hindurch. Dann schwamm sie an den kühlen und einladenden Temple Gardens mit ihren angelsächsischen Denkmälern vorüber, und wenig später zeigte das große Somerset House, in dem die Amtsräume der Steuerbehörde, des Generalregisters und des Königlichen Siegels untergebracht sind, die erhabenen Linien seiner venezianischen Architektur. Von der Mitte des Flusses gesehen, wirkt es imposant und monumental, aber Zeit und Feuchtigkeit haben die Bögen seiner unteren Gewölbe zerfressen und sie mit einer Art künstlichen Morschheit durchdrungen. Die Waterloo Bridge, deren gerade Fahrbahn auf neun herrlichen Jochen ruht, entfaltete ihre prachtvollen, zwölfhundert Fuß langen Formen; sie ist mit Granit aus Cornwall verkleidet und vermittelt das Bild eines unzerstörbaren Bauwerks. Weiter oben überquert eine sehr elegante Hängebrücke äußerst verwegen die Themse, und schließlich taucht nach einer starken Krümmung des Flusses die alte Westminster Bridge auf, deren eine Hälfte bereits einer neuen Eisenbrücke gewichen ist, die wundervoll aussehen wird. Die
Citizen
war am Ziel ihrer Fahrt angelangt, sie hielt an, und Jacques und Jonathan stürmten auf den Quai, um die Fassade des neuen Parlamentsgebäudes zu bewundern.
Vierzigstes Kapitel
Das Parlament, Westminster, Whitehall, Trafalgar Square
    »Das sind wahrlich hübsche Details!« rief Jacques, während er den üppigen Stil des Parliament House betrachtete. »Welch verschwenderische Fülle an Ornamenten, welche Vielzahl gekrönter Wappen, welches Übermaß an ziselierten Reliefs, welcher Reichtum an Stickereien auf den Friesen, den Architraven, den Gesimsen! Was für eine Wunderblüte der gesamten Renaissance-Botanik! Man möchte meinen, ein Schleier aus Englischen Spitzen, der über ein kolossales Bauwerk geworfen wurde! Das ist angelsächsischer Millionärsstil!«
    Das neue Parlamentsgebäude, das erst im Jahre 1847 eingeweiht wurde, sieht tatsächlich zauberhaft schön aus; es wird von mehreren Türmen überragt: Einer mit Spitzgiebeln zeigt allen Londoner Stadtteilen die vier Zifferblätter einer riesigen Uhr; ein anderer, Victoria Tower, ist genauso hoch wie die Kuppel von Saint Paul’s und zugleich erstaunlich breit und dick; er ist mit der Feinheit einer Goldschmiedearbeit von oben bis unten ziseliert und mit Wappen und heraldischen Sprüchen übersät, die eine außerordentliche Wirkung erzielen. Vom Platz aus betrachtet, ist die Fassade des Palastes unregelmäßig, hier und da springen Gebäudeteile vor und stellen die flamboyanten Kostbarkeiten ihrer gotischen Fenster zur Schau. An der Flußseite bietet die Entfaltung einer tausend Fuß langen architektonischen Linie einen majestätischen Anblick; vielleicht schmälert die Überfülle der Ornamentik die Erhabenheit dieses herrlichen Palastes, aber es ist unmöglich, daß Blick und Vorstellungskraft nicht beeindruckt sind von dieser tropischen Vegetation, die im nebelverhangenen England erblüht ist. Es fällt einem schwer, sich von diesem großartigen Schauspiel loszureißen. Viele Leute haben diese ungeheure Ansammlung von Skulpturen getadelt, aber der von ihr ausgehenden Wirkung konnten sie gewiß nicht gleichgültig gegenüberstehen. Sie ist, wenn man so will, nichts anderes als ein kostbares Reliquiar oder ein monumentaler Heiligenschrein aus dem Mittelalter; doch sie ist auch ein märchenhafter Traum, in Steine gekleidet, von denen jeder einzelne eine unschätzbare Arbeit darstellt, ausgeführt vom industrialisiertesten Volk der Welt.
    Von außen gesehen wirkt die Westminsterabtei neben diesen Wunderwerken der Renaissance kalt. Die Kirche wurde im gotischen Stil der zweiten Periode erbaut, und der Innenraum ist eine gewaltige Nekropole, angefüllt mit Grabmälern von schlechtem Geschmack und allegorischen Figuren, die einen unvermeidlich zum Lächeln bringen: Man kann nur mit

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