Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
den Schultern zucken angesichts dieser lobhudelnden Basreliefs, die jede Privatperson, gegen gutes Gold, in der Westminsterabtei errichten lassen kann. Nicht die Heiligen aus den ersten Tagen des Christentums werden in den protestantischen Kirchen verehrt, sondern jene rechtschaffenen Leute, die durch ihren Reichtum in die Unsterblichkeit eingegangen sind. Der sehenswerteste Teil der Kirche ist die Dichterecke, wo unter den Statuen oder Büsten von Milton, Addison, Dryden, Gray, Goldsmith, Butler, Spencer und Garrick auch das Shakespeare-Denkmal steht; das Antlitz des großen Mannes ist schön und vergeistigt. In den Kapellen rund um den Chor liegen berühmte Grabmäler; hier ruhen die beiden Kinder Edwards, hier sind Maria Stuart und Elisabeth in versöhnendem Schlafe vereint; die Nähe dieser beiden Gräber rührt auch den gefühllosesten Besucher. In der Apsis der Kirche tut sich die Kapelle von Heinrich VII. auf, ein Meisterwerk der Bildhauerkunst, von dem nichts eine Vorstellung zu geben vermag; man betritt ein steinernes Juwel von Benvenuto Cellini, es ist die letzte Vollendungsstufe, die vom Renaissancestil erreicht werden kann.
Als die Besucher diese Anhäufung von architektonischen Wundern und Absurditäten verließen, fielen sie einem Schwarm von Bettlern in die Hände, die Beschreibungen und Ansichten der verschiedenen Denkmäler verkauften, und hatten alle Mühe, sie wieder loszuwerden. Aber Jacques wagte es nicht, armseligen Straßenfegern, die vor seinen Füßen sauber machten, ein paar Pence abzuschlagen. In England steckt das Betteln voll Scharfsinn, es ist bereits Kommerz und Spekulation.
Wenn man die Parlamentsstraße hinuntergeht, kommt man an Whitehall vorüber, einem Palast von schaurigem Angedenken, der seit der Hinrichtung von Charles I. vollkommen wiederaufgebaut wurde; er ist ein Bau von mittelmäßiger Bedeutung, den Säulen in ionischem Stil schmücken.
»Wir wollen uns nicht damit aufhalten, über das berühmte historische Fenster zu diskutieren, in dessen Nähe das Schafott des Königs errichtet wurde; wir haben keine Zeit, und es ist nur von geringem Interesse.«
»Darum wollte ich dich gerade ersuchen«, antwortete Jonathan, der schon jetzt von dieser Gewalttour erledigt zu sein schien. »Wo sind wir überhaupt?«
»In Charing Cross, wo einst die Krönung des englischen Königs stattfand; da ist der Trafalgar Square, und mein Plan zeigt an, daß sich die Nationalgalerie gleich dahinter befindet; mich dünkt, es handelt sich um das Museum, ein abscheuliches Gebäude, das ist alles, was ich dazu sagen kann, wenn ich höflich bleiben will. Und hier nun, mein lieber Jonathan, eine dorische Säule, deren Kapitell die Statue von Nelson trägt; bitte achte darauf, daß der große Seefahrer von einem Blitzableiter durchbohrt wird, und bewundere den Gerechtigkeitssinn des großen englischen Volkes: Es widmet Nelson eine Statue für seine Siege bei Abukir und Trafalgar, aber zugleich pfählt es ihn für seine besonderen Verbrechen. Verlassen wir jedoch diesen ebenso hügeligen wie belanglosen Platz und laß uns zum Saint James’s Park gehen, meine Augen müssen sich an ein bißchen Grün erholen; doch unterwegs werfen wir noch schnell einen Blick auf Pall Mall und seine Clubs.«
Diese Clubs sind wahre Paläste, und kein Land hat vergleichbare Bauwerke von solcher Distinktion zu bieten; in ganz London gibt es eine Vielzahl von ihnen, aber die am Pall Mall, der United Service Club und das Conservative Club House in italienischem Stil oder der Athenaeum Club, sind von einzigartiger Schönheit. Man darf sich nicht über die Unmenge an Monumenten wundern, die sich in der Stadt aneinander drängen; einundneunzig Zünfte haben ihre eigenen Halls, so etwa die Kurzwarenhändler, die Tuchmacher, die Fischhändler, die Goldschmiede, die Kürschner, die Schankwirte etc.; diese für Zusammenkünfte bestimmten Gildehäuser sind gewaltig, und jede Zunft unterhält darin auch noch ihre Wohltätigkeitsheime, um ihre eigenen Notleidenden zu unterstützen. Darüber hinaus zählt man nicht weniger als vierzig wissenschaftliche Gesellschaften, die mit den unvorstellbarsten Namen ausgestattet sind und alle einen herrschaftlichen Bau mit Säulen und Gebälk besitzen. Die Clubs sind ebenso zahlreich wie die Gesellschaften, und alles zusammen entfaltet sich, macht es sich bequem, breitet sich ungeniert aus, versorgt die Phantasie der englischen Architekten mit Stoff und läßt die Bauwerke wuchern.
»Und nun«,
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