Reise nach Genf
aus.
»Sie brauchen keine Furcht zu haben.« Er grinste diabolisch.
»Ich schweige wie ein Grab, ich verrate nichts. Wenn Ihre Kollegin so freundlich ist, mir zu bestätigen, daß Sie einen Beweis – oder mehrere? – haben, müssen Sie mir keine Auskunft geben. Wird es Verhaftungen geben?«
Ich versuchte einen mörderischen Blick zu Minna, aber die achtete gar nicht auf mich. »Herr Gremm, eine Frage vorab. Am Tatort, also im Apartment des Herrn Watermann selig, wurde angeblich eine Rotweinflasche mit zwei Gläsern entdeckt, dann eine kleine leere Whiskyflasche. Es wurde behauptet, man habe keine Fingerabdrücke genommen, weil die Polizei Ihrer wundervollen Stadt bei einem so klarliegenden Selbstmord gar nicht auf die Idee kam, welche zu suchen …«
Er nickte. »Ich verstehe. Sie meinen das totale Durcheinander und der offen ausgesprochene Verdacht, die Genfer Behörden würden schlampig oder gar nicht arbeiten. Sehen Sie, ich weiß, daß unsere Mordspezialisten, wie bei jedem Selbstmord oder bei jedem unnatürlichen Todesfall, sehr genau waren. Es gab keine Fingerabdrücke an und um die Wanne. Aber nicht, weil die Genfer Kripoleute sie nicht suchten, sondern weil sie suchten und keine fanden. Ich gebe zu: Das ist sehr seltsam. Tatsächlich waren auch an dem zerbrochenen Weinglas keine, und keine an dem kleinen Whiskyfläschchen. Nun kommt etwas hinzu, was wir vornehm zurückhaltend die Bühne hinter der Bühne nennen. Ein gewisser Deutscher namens Manfred Gerber ist sehr häufig zu Gast in dieser Stadt. Dieser Gerber ist eindeutig eine dubiose Existenz, hat aber mächtige Freunde. Hier hat er zum Beispiel im Chef der Bundespolizei, Peter Huber, einen mächtigen Helfer. Nun fragt man sich als aufrechter Bürger: Wenn Gerber den Huber gebeten hat, den Tod des Watermann nicht sonderlich schnell und genau zu untersuchen, dann entsteht eine Zeitnische. In dieser Zeitnische, so denken einige Kollegen und ich, hätte man hervorragend Personen sowie Versatzstücke des Dramas entweder verschwinden lassen können, oder aber man hätte falsche Fährten legen können. Ich finde meine Kollegen von Stern und Spiegel und anderen international beachteten Blättern sehr intelligent und findig.« Er machte eine Pause und grinste. »Aber, gnädige Frau, lieber Herr Baumeister, ich finde sie auch geschwätzig. Mit dem Geschwätz schreiben sie darüber hinweg, daß wir es mit einem Tatort zu tun haben, den wir nicht mehr rekonstruieren können, weil wir keine Kenntnisse von den Personen haben, die mitspielten. Mit anderen Worten: Es ist so, wie der oberste Ankläger dieses Landes sagte: Wir in Genf haben dringend auf deutsche Hilfe gewartet. Um es einfach auszudrücken, verehrte Kollegin, verehrter Kollege: Wir sind sicher, daß Herr Watermann sich nicht selbst tötete, aber wir sind nicht dazu da, Ihre politischen … nun, sagen wir, Ihre politischen Schweinereien zu erledigen, nicht wahr?« Sein Lächeln war jetzt eindeutig bösartig.
Dann kamen unsere Getränke, und Gremm erbat sich einen Kaffee. Er schwieg, bis der kam. »Können Sie nicht andeuten, auf welchem Gebiet Ihr Beweis liegt?« Er strahlte Minna an. »Wenn Ihr Begleiter schon so schweigsam ist, gnädige Frau, sind Sie vielleicht offener?«
»Warum geben Sie eigentlich nicht zu, daß Sie erstaunlich viel wissen für jemanden, der nicht mit dem Fall beschäftigt war?« fragte ich schnell.
»Wir haben uns alle dafür interessiert«, antwortete er entwaffnend. »Sehen Sie, da kommt ein leibhaftiger Ministerpräsident aus Deutschland, um hier zu sterben. Welchen Journalisten interessiert das nicht?«
»Sie wittern eine Geschichte, Kamerad«, sagte ich leise.
»Na sicher«, sagte er. »Kriege ich sie?«
»Das könnte sein. Wann schließen Sie heute den Lokalteil?«
»Gegen sieben, also in einer halben Stunde.«
»Bis wann können Sie Text nachschieben?«
»Bis neun Uhr.«
»Wieviel kostet uns das?«
Er schüttelte den Kopf und preßte die Lippen aufeinander.
»Kein Geld«, sagte er beinahe lautlos. »Ich will Ihre Geschichte.«
»Gut«, sagte ich.
»Das geht«, sagte Minna nachdrücklich.
»Du hältst jetzt den Mund«, sagte ich. »Passen Sie auf, Gremm, wir wissen beide ziemlich gut, daß eine Reihe von Menschen heiß daran interessiert war, daß Watermann die Wupper überschritt. Wir können nur in Genf herausfinden, wer es war. Die Lösung liegt in diesem teuren, gutbürgerlichen Hotel. Sie kriegen die schweizerischen Rechte der Geschichte, wenn Sie mir
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