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Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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bitte.«
    »Stell dir vor, du bekommst in der Schule die Aufgabe, einen Aufsatz zu schreiben. Über ein Thema, das du sehr gut beherrschst. Was machst du? Du sammelst Stoff. Genau dasselbe tun wir jetzt auch. Wir sammeln alles an Fakten und Vermutungen, was wir kriegen können. Das ergibt ein Muster. An der Stelle, an der eine Vermutung eine Tatsache ersetzt, müssen wir versuchen, an Beweise zu kommen oder aber an Aussagen, die Beweiskraft haben. Nimm einen einzigen Punkt: Watermann taucht in diesem Hotel auf, hat aber nachweislich nicht selbst das Zimmer gebucht. Niemand weiß, wer es für ihn gebucht hat. Die Frau war es nicht, sein Bruder war es nicht, aber jemand hat für den Herrn Dr. Dr. Watermann gebucht. Das führt zu einem nächsten, nie erledigten Problem: Wir wissen, daß dieser Gerber im Nachbarhotel ›Le Richemond‹ wohnte. Aber wer im Hotel ›Beau Rivage‹ des Watermann logierte, wissen wir nicht. Die Gästeliste wird aus Gründen der Diskretion in der Schweiz wie ein Geheimdossier behandelt. Also brauchen wir diese Liste, um festzustellen: Wer waren denn Watermanns Zimmernachbarn? Vielleicht ist diese Liste aufschlußreich, vielleicht ist sie so langweilig wie ein Telefonbuch. Wir werden sehen.«
    »Baumeister, das kriegen wir nie raus«, murmelte sie nach einer Weile.
    »Da bin ich mir nicht so sicher, wir müssen nur laut genug Finanzamt schreien.«
    »Du bist wirklich ein merkwürdiger Mensch. Lebst unter Bauern und Handwerkern mitten im Wald und braust hierher, um den ganz Großen ans Bein zu pinkeln.«
    »Das hast du aber fein formuliert.«

VIERTES KAPITEL
    Wir fuhren bis Ferney-Voltaire, acht Kilometer vor Genf. Wir fanden ein Gasthaus, in dem die Preise einigermaßen normal schienen, und mieteten ein Doppelzimmer. Dann hielt ich ihr einen kurzen sogenannten Arbeitsvortrag.
    »Kein Nahkampf. Wir verkaufen uns als müdes Paar. Wir reden niemals in Lokalen oder in der Öffentlichkeit über den Fall. Wir machen den Eindruck von hart arbeitenden Leuten, die ein paar Tage ausspannen und Spazierengehen wollen. Wir haben den Honigmond längst hinter uns, wir turteln nicht, wir halten nicht Händchen, und wir halten den anderen nicht für den Größten.«
    »Gut so. Wenn du morgens der erste unter der Dusche bist.«
    »Einverstanden. Jetzt werde ich die Sache ein wenig ins Rollen bringen.«
    »Wieso jetzt? Wir sind doch noch gar nicht angekommen!«
    »Ich habe eine Idee, also laß mich telefonieren.«
    »Dann gehe ich duschen. Ach nein, ich will es mitkriegen.« Sie hockte sich auf das Bett.
    Werner Ascheburg, Chefreporter des Kölner Express, war einer der Männer, die die richtige Nase hatten. Ich wollte ihn nicht hinters Licht führen, ich sagte: »Ich habe möglicherweise eine Geschichte für Sie. Ich kümmere mich erneut um den toten Watermann, ich rufe Sie aus Genf an. Haben Sie Zeit, mir zuzuhören?«
    »Ich habe. Ich muß allerdings darauf aufmerksam machen, daß die Politikverdrossenheit des gemeinen Mannes mittlerweile krankhafte Formen angenommen hat. Die wollen von Bestechung und Korruption nichts mehr lesen, weil sie voraussetzen, daß so etwas gang und gäbe ist.«
    »Ich gehe von der Überlegung aus, daß ein sehr massives Interesse bestand, den Tod des Watermann herbeizuführen, weil er von zu vielen Leichen im Keller wußte. Nehmen wir nun einmal an, daß bestimmte Justizkreise, aber auch hohe Behörden sich schämen, so elend versagt zu haben. Nehmen wir weiter an, ein paar von diesen Leuten wollen reden. Vor allem über die Frage, daß die Bundesregierung ein erstaunlich großes Desinteresse daran hatte, den Fall aufzuklären. Beweissträngen in Richtung Mord ist nicht nachgegangen worden.«
    »Das hört sich gut an. Für wen sind Sie unterwegs?«
    »München. Ich kann Ihnen aber garantieren, daß Sie ein exklusives Vorabdruckrecht bekommen. Nehmen wir an, ich ahne, um welche Beweise es geht. Könnten Sie dann erwähnen, daß ich recherchiere? Könnten Sie eine Geschichte machen? Ich bin zwei Tage am Fall und schon verprügelt worden.«
    Er antwortete jugendlich hell. »Das klingt immer besser. Los, erzählen Sie.«
    Ich berichtete kurz über mein Kieler Erlebnis, und ich berichtete auch von Minna. »Wenn Sie also erwähnen, daß ich hier in der Gegend bin, um zu recherchieren, nehme ich an, daß ich Besuch bekomme.«
    »Das ist wahrscheinlich«, erwiderte er. »Ich werde laufend informiert?«
    »Laufend. Ich setze an dem Punkt an, daß es ganz normale Bürger geben muß, die

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