Reise nach Genf
werden Personalien und Anschrift in den Computer eingespeist, bestellt er etwas zu trinken oder zu essen, wandert das über den Computer, will er seine Rechnung, drückt jemand einen Knopf im Computer, und die Rechnung wird ausgedruckt. Wenn ich diese Eintragungen nun manipuliere, ist hinterher nicht einmal mehr feststellbar, ob und wann bestimmte Personen jemals dieses Hotel betreten haben. Verstehen Sie jetzt?«
»Ach, du lieber Gott«, flüsterte sie.
Gremm fügte hinzu: »Es ist nur eine Theorie, aber es ist eine verdammt gute Theorie.«
Er machte ein Foto von uns und verschwand.
»Du hast mich blamiert«, sagte Minna vorwurfsvoll.
»Es ist mein Job, und du bist ein elender Amateur. Wie kannst du so dumm sein und behaupten, wir hätten Beweise?«
»Ich wollte bluffen«, sagte sie trotzig.
»Wie ein Anfänger«, sagte ich böse. »Anfänger sollten den Mund halten. Du bist sehr hübsch. Niemand behauptet, daß das Gehirn ersetzt.«
»Du bist ekelhaft!«
»Damit kann ich leben. Am Abend kommen wir wieder und besuchen Lilo.«
»Und bis dahin?«
»Bis dahin mache ich einen Spaziergang. Ich spanne aus.«
Wir fuhren zurück in das Hotel, und ich ging spazieren. Ich war mißmutig und ohne Hoffnung. Wer immer dieser Paolo Maggia war, er würde nur eine Randfigur sein. Er war schon im Hotel »Beau Rivage« Kellner, als niemand ahnte, welch ein dicker Fisch Watermann sein würde. Ich konnte mit Lilo sprechen, wahrscheinlich würde sie nichts wissen, aber ich durfte keine Spur aus den Augen lassen. Du lieber Himmel, was sollte ich mit einer Hure, die trank?
Dieses Ferney-Voltaire war ein nettes, kleines Städtchen, arbeitsam, bunt, mit dem Flair des französischen Südens und dem Geist seiner Sprache. Keine Wolke stand am Himmel, die jungen Frauen gingen leicht, beschwingt, farbenfroh und zeigten viel Haut. Es war kein Tag, um sich mit einem Mann wie Watermann zu beschäftigen, es war ein Tag zum Lachen. Jetzt ging er langsam unter einem roten Himmel zur Neige.
Ich hockte mich vor ein Café auf den Bürgersteig, ließ mir ein großes Fruchteis servieren und träumte von einem Informanten, wie man ihn sich für diese Gelegenheiten wünscht – einer, der lapidar erklärt: Es drängt mich danach, Ihnen zu berichten, wie das Drama um Herrn Watermann tatsächlich verlief …
Das Eis war von einem Riesenhaufen Schlagsahne gekrönt, der mir die Luft raubte. Ich gab nach der Hälfte auf, bezahlte und ging weiter.
Plötzlich war sie neben mir und sagte: »Ich hätte noch diese oder jene Frage.«
»Bist du hinter mir hergegangen?«
»Nein. Ich ging spazieren, da sah ich dich. Mir ist ziemlich elend. Da gibt es eine Geschichte mit Watermann, die mir eklig ist, da …«
»Die Rostockgeschichte, nicht wahr?«
»Ja, die.«
»Nun, das zielt direkt auf die Frage, ob Watermann möglicherweise im Zimmer dreihundertsiebzehn vom Staatssicherheitsdienst der DDR getötet worden ist. Das ist verdammt gut möglich. Für die meisten Kriminalisten steht außer Zweifel, daß Watermann erpreßbar geworden war. Es geht vordergründig um eine Nuttengeschichte. Das ist es, was dich so deprimiert, nicht wahr?«
»Na ja, klar. Man glaubt, es war zumindest irgend etwas Ehrliches. Dann sollst du kapieren, daß er nichts als ein Arsch mit Schwanz war.«
»Frau Doktor, nicht so heftig. Komm, wir hocken uns da auf die Mauer. Also Rostock: Es gab da einen Ex-Stasimann namens Oberst Eberhard Lehmann. Der war von 1982 bis 1986 Vizechef der Hauptabteilung II im Ministerium für Staatssicherheit, Spionageabwehr. Von 1986 bis über die Wiedervereinigung hinaus war er Resident des sowjetischen Geheimdienstes KGB in Berlin. Er war auch Informant des Verfassungsschutzes. Er berichtete seinen westlichen Arbeitgebern, daß Watermann zusammen mit dem berüchtigten Schalck-Golodkowski, dem Devisenbeschaffer der DDR, in Waffengeschäfte verwickelt war. Da führte ein eindeutiger Strang zu dem berühmten U-Boot-Geschäft mit Südafrika. In seiner Amtszeit zwischen 82 und 87 war Watermann nur zweimal offiziell Gast in der DDR. Jetzt sagt plötzlich sein Fahrer aus: Ich bin mit Watermann mindestens sieben- bis neunmal in der DDR gewesen! Und zwar je viermal in den Rostocker Interhotels Neptun und Warnow …«
»Um diesen Schalck-Golodkowski zu treffen?«
»Nein, das ist nicht ausdrücklich gesagt worden, das war auch gar nicht nötig, denn Schalck hatte genug Verbindungsleute, er konnte im Hintergrund bleiben. Über sämtliche Besuche Watermanns
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