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Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Ich nahm die Schnellstraße, die steil von Norden hinunter zur Rhone führt. »So etwas passiert, und so etwas ist auch mir schon passiert.«
    »Die Frau, die du gerade … hinter dir hast. War das auch so ein Fall?«
    »O nein, das war nicht so ein Fall. Sie war eine Kollegin, ein verdammt guter Typ. Niemand war schuld, ich vielleicht. Nein, es hat ziemlich weh getan.«
    »Puh.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Wie lange hat es gedauert?«
    »Sechs Wochen. Hat Watermann jemals über seine Frau und seine Kinder gesprochen?«
    »Hat er. Jedesmal. Er betonte immer, er sei eigentlich ein Familienmensch. Wahrscheinlich war er das ja auch. Aber Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut. Dieser Mensch, der ihn ans Messer geliefert hat, dieser Medienberater, kennst du den?«
    »Nein. Ich denke, der weiß auch nur sehr begrenzt Bescheid. Außerdem hatte der keine Macht. Der hockt jetzt auf einem nicht sonderlich gut bezahlten Job und wird davon träumen, daß er der Mann war, der Watermann stürzte.«
    »Das war er wohl nicht«, sagte sie. »Ich denke, er hat es nur beschleunigt. Irgendwann, das ist sicher, wäre Watermann ohnehin ins Trudeln geraten.«
    »Das mag sein«, sagte ich. »Nimm den Stadtplan und sag mir den Weg. Ich möchte in die Tiefgarage vom ›Beau Rivage‹.«
    Das »Beau Rivage«, von dem berichtet worden ist, es sei eine Luxusherberge, war eher ein sehr zurückhaltendes, etwas hochnäsiges, schweizerisches Haus. Die Halle, an der nichts überraschte, machte einen absolut diskreten und soliden Eindruck. Es war so, als hingen überall Schilder »bar bezahlt«. Die zwei Frauen und zwei Männer hinter der Empfangstheke hatten ihr berufsmäßiges Lächeln wie eine zweite Haut im Gesicht kleben. Von irgendwoher kam sehr gedämpft irgendeine untermalende Musik mit viel Geigen, niemand sprach laut, der Page neben dem Haupteingang machte den Eindruck eines tödlich gelangweilten Kindes. »Die Ledersessel rechts«, sagte ich durch die Zähne.
    Wir setzten uns, ich reichte ihr Feuer für eine Zigarette und stopfte mir dann die Vario von Danish Club.
    Zuerst näherte sich uns ein sehr steif wirkender junger Mann in einem dunkelblauen Tuchanzug mit einer etwas helleren Krawatte und fragte dezent: »Sind die Herrschaften Hausgäste?«
    »Nein«, sagte Minna. »Haben Sie eine halbe Flasche Champagner für mich?«
    »Ich schicke die Bedienung«, teilte er mit. Dann drehte er sich ruckweise herum wie ein Tangotänzer und enteilte.
    »Champagner, bist du verrückt? Das kostet hier soviel wie in der Eifel eine ganze Kuh.«
    »Ich zahle für mich«, sagte sie kühl, konnte aber ihre Begeisterung nicht unterdrücken. »Zeigen wir denn, daß wir Journalisten sind?«
    »O ja«, sagte ich. »Sie sollen es alle wissen. Wir sind nicht scharf auf Interviews mit den Großen der Welt, sondern auf Verbrüderungen mit den Kleinen. Das sind die, die uns hier bedienen.«
    Aber zunächst kam nur ein etwa sechzehn Jahre alter Auszubildender in einer dürftigen weißen Leinenjacke, der kurioserweise weiße Handschuhe trug.
    »Er kommt vom Silberputzen«, erklärte Minna. »Junger Mann, eine halbe Flasche kalten Champagner.«
    »Eine bestimmte Marke, Madame?«
    »Hm, Pommery?«
    »Sehr wohl, Pommery. Der Herr, bitte?«
    »Eine Kanne Kaffee.«
    Auch der Junge drehte und bewegte sich wie ein Tangotänzer.
    »Der Hotelchef muß Choreograph sein«, murmelte Minna.
    Dann kam Walter Gremm. Er sah nicht aus wie ein Journalist, eher wie jemand, der es bei einer Bank versucht, aber nicht ganz geschafft hat. Er sah sich um und steuerte schließlich auf uns zu.
    »Hallo«, sagte er.
    Er war ein schmaler, kleiner Mann, um die dreißig Jahre alt. Er trug eine dunkelblaue Lederkrawatte auf einem Jeanshemd, dazu einen hellen leichten Sommeranzug. Er hatte ein sehr schmales Gesicht mit einer schmalen Nase zwischen dunklen, sehr lebhaften Augen. Er sagte: »Haben Sie Beweise?«
    »Ja«, sagte Minna einfach und lächelte voll Unschuld.
    »Und die behalten Sie für sich?« fragte er lächelnd weiter.
    »Sagen wir so«, ich machte ein möglichst nachdenkliches Gesicht. »Das hängt davon ab, ob Sie uns ein wenig unter die Arme greifen.«
    »Ich bin ein Lokalredakteur«, sagte er vorsichtig. »Es ist nicht mein Fall, es ist nicht mein Ressort. Mich interessiert Watermann nur am Rande, sozusagen persönlich.«
    »Meine Kollegin war etwas voreilig, wissen Sie. Ich denke …«
    »O nein«, er breitete die Arme mit einer segnenden Geste

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