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Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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in Rostock gibt es Ordner voller Dossiers. Der Mann wurde Tag und Nacht beschattet, abgehört und sogar gefilmt. Der größte Teil dieser Unterlagen ist spurlos verschwunden, keiner der Filme existiert offiziell mehr. Aber Insider sind sehr sicher, daß sie nicht vernichtet wurden, sondern nur nach Schleswig-Holstein in Sicherheit gebracht wurden. Da tickt eine Zeitbombe …«
    »Und die Filme zeigen, wie Watermann …«
    »Richtig. Die Filme zeigen, wie Watermann mit vom Staat angestellten Nutten bumst …«
    »Er war machtgeil, sicher, aber so dumm wird er …«
    »Moment, Moment, reg dich nicht auf. Kein Mensch behauptet, daß er dumm war. Der Fahrer sagt: Mein Chef, der ja selbst mal Innenminister in Schleswig-Holstein war, wußte natürlich von dieser Beschattung! Der Grund, weshalb sich Watermann trotzdem darauf einließ, kann nur sein, daß er glaubte, so mächtig zu sein, daß niemand es riskieren könnte, ihn zu erpressen. Trotzdem riskierte die DDR, ihn zu erpressen. Nach Lage der Akten sollte Watermann sich mit Vertretern des Ostens in Schweden treffen. Er lehnte ab, er muß sich ungeheuer sicher gefühlt haben. Nach Ansicht von Leuten, die es wirklich wissen müssen, hatten die häufigen Besuche Watermanns in der DDR nur einen Grund: einen der raffiniertesten Deals, die man sich vorstellen kann. Dabei spielten Regierungen, Geheimdienste und Rüstungsunternehmen mit.
    Watermanns Wirtschaftsminister brachte von einer Südafrika-Reise einen Riesenauftrag für die Kieler Werft HDW mit: den Bau eines neuen Kreuzfahrtschiffes namens Astor II. Die Südafrikaner finanzierten diesen Auftrag mit dem Verkauf der alten Astor I an die DDR. Der Trick war dabei, die Astor I zunächst in Kiel generalüberholen zu lassen, sie dann vorübergehend an eine westdeutsche Werft zu verkaufen und anschließend der DDR anzubieten. Diese Astor I war übrigens das ZDF-Traumschiff. Damit hatte die Kieler Werft endlich einen Auftrag, und die DDR konnte die Astor I mit Ostmark bezahlen, wie das zwischen der BRD und der DDR vereinbart war. Da die Südafrikaner aber gerne westdeutsche U-Boote kaufen wollten, kam jetzt der Devisenschieber Schalck-Golodkowski in den Deal. Die U-Boot-Pläne wurden durch Kuriere der südafrikanischen Botschaft außer Landes geschmuggelt. Die Südafrikaner wollten aber auch U-Boot-Teile und Elektronik. Der Schalck hatte eine Rüstungsfirma namens IMES. Er hatte auch Speditionen, die dauernd in der Bundesrepublik unterwegs waren. Mit anderen Worten: Schalcks Lastwagen wurden mit allem beladen, was Südafrika gekauft hatte, und fuhren einfach nach Rostock. Dort wurde das teure Gut auf Schiffe verladen. Über alles hielt Watermann seine schützende Hand, und das mindeste war, dafür mit den hübschesten Frauen der DDR die Nächte zu teilen.«
    »Wieso könnte dann die Ex-DDR ihn umgebracht haben?«
    »Ganz einfach: Für die DDR war es schändlich, mit dem Rassistenstaat Südafrika Geschäfte zu machen. Außerdem konnte Watermann diesen ganzen Deal beweisen …«
    »Ja, aber dann hätten ja auch die Manager der Kieler Werft Grund gehabt, ihn zu töten.«
    »Hatten sie auch. Wie du siehst, befinden wir uns im Auge des Taifuns.«
    »Das hat doch alles keinen Zweck«, sagte sie in komischer Verzweiflung. »Was ist denn zum Beispiel, wenn der Verfassungsschutz in das ganze Geschäft eingeweiht war und es absegnete?«
    »Dann hatten auch Leute des Verfassungsschutzes Grund, Watermann in der Badewanne zu ersäufen«, sagte ich hart.
    »Das macht die Geschichte so pikant.«
    »Ich bin so mutlos«, murmelte sie.
    »Nicht verzagen. Als der Mord passierte, war Manfred Gerber im Nachbarhotel, im ›Beau Rivage‹ verschwand der Kellner namens Paolo Maggia. Watermanns Fahrer hat gesagt: Er war sieben- bis neunmal in der DDR! Es sind immer die kleinen Leute, die von den großen übersehen werden. Halten wir uns an die kleinen, an Paolo!«
     
    Wunderbar weich und sanft kam die Nacht. Wir gingen zu unserem Hotel zurück, aßen etwas und machten uns auf den Weg in die Genfer Innenstadt.
    »Wir parken unter dem ›Beau Rivage‹, wir gehen durch die Halle, wir lassen uns sehen. Es ist wichtig, daß die Leute uns dauernd sehen. Ich gebe dir hier die NIKON AF. Das ist eine kleine Kamera mit einem Schwarzweißfilm. Du richtest das Objektiv auf irgendeine Person, also zum Beispiel auf Lilo an ihrer Bar, und drückst einfach ab. Das Blitzlicht ist nicht eingeschaltet, das ist auch nicht notwendig, der Film ist empfindlich genug.

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