Reise nach Genf
erst dreieinhalb Jahre nach den Ereignissen.«
Sie stellte die Flasche und ein Glas vor mich hin und setzte sich mir gegenüber.
»Hatten Sie bei dem Verhör den Eindruck, daß die Polizei ernsthaft ermittelt oder schleppend vor sich hin arbeitet?«
»Sie ermittelten langsam, weil sie nach eigener Aussage immer noch auf deutsche Amtshilfe warteten. Es ist eine politische Schweinerei, nicht wahr?«
Das hatte ich schon einmal gehört, und ich wußte, daß das der Wahrheit entsprach. »Eine private Frage: Was glauben Sie, ist er ermordet worden?«
»Selbstverständlich ist er ermordet worden«, sagte sie. Sie hockte in weißer Bluse und roten Jeans wie eine Luxuspuppe in dem Meer von honigfarbenem Leder, aber sie wirkte nicht im geringsten verspielt. »Sie haben mir schöne Grüße von Paolo gebracht. Also, was will er?«
»Die Grüße waren ein Bluff. Ich weiß nicht, wo er ist, ich weiß nicht, wie er sich jetzt nennt. Aber ich muß ihn finden.«
Sie steckte sich einen langen Zigarillo zwischen die grellroten Lippen und zündete ihn an. »Das habe ich mir fast gedacht. Aber ich glaube nicht, daß Paolo irgend etwas damit zu tun hatte. Falls er etwas damit zu tun hatte, dürfte er tot sein, oder?«
»Wahrscheinlich. Es ist mir zugetragen worden, daß Paolo Ihre große Liebe war. Es ist mir auch zugetragen worden, daß Sie ihn heiraten wollten oder irgend etwas in dieser Preislage. Ist das richtig?«
»Nein, ist es nicht. Fällt Ihnen auf, daß die Frauen in den Geschichten der Männer immer den schlechteren Part spielen? Bevor ich Ihnen die Geschichte erzähle, muß ich wissen, wer Sie sind, was Sie eigentlich wollen, und ja, was Sie mir zahlen.«
»Sie sagten, Sie wüßten nichts, weil Paolo nichts damit zu tun hatte. Für was soll ich also zahlen?«
»Sind Sie freiberuflich tätig?«
»Ja, bin ich.«
»Wer bezahlt Ihre Recherchen?«
»Ein Münchner Blatt.«
»Können Sie mir tausend geben?«
»Kann ich. Aber ich weiß nicht, ob ich soll.«
Sie lachte, und es wirkte erfrischend. »Sie werden.«
»Bedeutet das, daß Sie bei der Polizei nichts von Wert ausgesagt haben?«
Sie wurde ernst, sie starrte vor sich hin, sie bedachte meine Worte, sie kniff die Lippen zusammen, sie schüttelte den Kopf, es war, als verhandele sie mit sich selbst. »Sagen wir so: Da man nicht jeden Tag einen deutschen Ministerpräsidenten tot in der Badewanne liegen hat, nahm zunächst jeder in den Hotels an, Paolo hätte etwas damit zu tun. Ich auch. Aber dann konnte ich keine Verbindung herstellen zwischen diesem Politarsch und meinem Paolo. Na sicher, Paolo hat als Springer damals überall gearbeitet, auch im Etagenservice im dritten Stock, aber das muß nichts heißen. Ich gebe aber zu, daß mir mittlerweile Zweifel gekommen sind. Ich habe der Polizei zwar nichts davon gesagt, weil ich die Polizei nicht leiden kann, aber ich bin inzwischen sicher, daß Paolo etwas mit Watermann zu tun hatte. Die Frage ist nur: Was? Und jetzt zu Ihnen: Wer sind Sie, was haben Sie vor? Können Sie zahlen?« Sie lachte, und die ganze kleine Figur vibrierte vor Heiterkeit.
»Ich bin Siggi Baumeister, ich gelte als Spezialist für Langzeitthemen. Es gibt keine deutschsprachige Gazette, in der ich nicht erschienen bin, und ich bin nur auf die Wahrheit scharf. Ihr Geld lege ich hierher. Okay so?«
»Ja. Die Männerwelt hat mich einmal sagen hören, ich würde gern ein Baby haben und mich zurückziehen. Daraus zogen viele den Schluß, ich wollte dieses Baby mit Paolo. Das war nicht so. Er ist im Grunde ein Macho. Aber er ist ein Charmeur, ein herzlicher, liebevoller Typ, ein guter Freund. Nicht ich wollte unbedingt ihn, sondern er wollte unbedingt mich. Das hat etwas damit zu tun, daß ich eine reiche Frau bin. Ich besitze drei Hotels, zwei Pizzerias, drei Boutiquen, bin also ein sehr warmes Bett. Paolo wollte dieses Bett, und er machte niemals einen Hehl daraus.«
»Was passierte am Todestag Watermanns?«
»Ich erinnere mich daran, daß es ein Tag wie jeder andere war. Der Betrieb in der Stadt war normal. Paolo schlief hier in den hinteren Räumen. Er hatte um zwölf Uhr mittags Dienstbeginn. Weil im ›Beau Rivage‹ immer sehr viele, sehr reiche Geschäftsleute zu Gast sind …«
»Man sagt, daß die Creme des internationalen Waffenhandels in den Hotels der Innenstadt zu finden ist. Stimmt das?«
»Das stimmt. Aber diese Männer sind nur eine Gruppe. Eine andere Gruppe sind die internationalen Geheimdienstleute. Das ›Beau Rivage‹
Weitere Kostenlose Bücher