Reise nach Genf
das Wort ab. »Lilo ist eine Frau, die lieber mit Männern verhandelt.«
»Sie ist knallhart, sie wird Geld verlangen. Sie wird für jeden Atemzug, den sie für dich tut, kassieren.«
FÜNFTES KAPITEL
Der Grund, weshalb ich fürs Leben gern in der Hocheifel lebe, ist vor allem der, daß ich in der Erde wühlen kann, daß ich riechen kann, wie Erde riecht, daß ich erleben kann, was sie wachsen läßt. Wenn ich mich herumtreibe in dem, was man so die große weite Welt nennt, fühle ich mich zuweilen wie ein mutterloses Kind, das verzweifelt nach jemandem sucht, der einfach sagt: Bleib hier, du bist willkommen! Ich hocke mich dann in mein Auto und schiebe eine Kassette von BAP oder den BLACK FÖSS ein und ersaufe in meinen kindlich vergnügten Vorstellungen vom Getriebe um den Kölner Dom oder dem Gewimmel in den Kneipen, in denen ich mich so gern herumtreibe.
Auf dem Weg zu Lilo schob ich ein Band der neuen Kölner Gruppe LSE ein, auf dem der Sänger von den BLACK FÖSS, Tommy Engel, hingebungsvoll den Song vom SAUNA-BOY röhrt oder den Wald besingt, in den er fährt, um festzustellen, daß die Bäume zwar alt und grün sind, er aber letztlich vor der Frage steht, was er eigentlich im Wald soll.
Da fühlte ich mich nicht mehr ganz so fremd, da stand ich fest auf meinem Boden.
Das Haus, in dem Lilo wohnte, war sehr schmal, alt und ordentlich wie ein redlich in die Jahre gekommener Rentner. Es gab nur eine Klingel ohne Namen, und also klingelte ich. Auf der Treppe in dem engen Stiegenhaus kam mir ein dicklicher Mann entgegen, der mindestens fünfzig war, aber so munter die Stufen herunterhüpfte, als habe er gerade eben längere Zeit in einem Jungbrunnen gepaddelt. Er strahlte mich an, er zwinkerte mir zu, er summte irgendeinen albernen Schlager, und wenn er vorübergehend einen Spitzentanz eingelegt hätte, wäre ich auch nicht verwundert gewesen. Sein Blick war voll Seligkeit.
Lilo stand in der Tür und lächelte mich an.
»Habe ich etwa diesen netten Herren verjagt?« fragte ich.
Sie bekam den Bruchteil einer Sekunde sehr runde Augen und lachte dann erfrischend. »Das war der Elektriker von nebenan, der meinen Fernseher gerichtet hat.«
»Nachts?«
»Nachts. Seine Frau, die mich immer zuckersüß grüßt, weiß, daß ich entweder in der Bar arbeite oder aber hier. Wenn ich ihn tagsüber antanzen lassen würde, hätte sie den dringenden Verdacht, daß er fremdgeht.«
»Man sagt von Ihnen, Sie seien eine Hure. Sind Sie das?«
Sie wandte sich ab und wies ein wenig theatralisch in einen sehr großen Wohnraum, der zwei Stufen tiefer lag und eine Landschaft in weiß und braun war. »Sieht das so aus, als sei ich eine Nutte?« Merkwürdigerweise war sie nicht im geringsten gekränkt.
Es gab eine sehr große Sitzgruppe in honigfarbenem Leder, von der ich ziemlich genau wußte, daß einfache Leute für das Geld ein ganzes Haus bauen könnten. Es gab Hirtenteppiche, die nicht von der Sorte waren, wie man sie, den Quadratmeter zu zwanzig Mark, deutschen Hausfrauen als Inbegriff des Luxus einreden will. Es gab drei biblische Motive von Chagall, eins pro Wand. Ich wußte, daß man sie nicht im nächstbesten Kunstgewerbeladen kaufen konnte. Ich sagte: »Das ist eigentlich keine Antwort. Die Antwort, die mir dieser wirklich wunderschöne Raum gibt, besagt nur, daß Sie eine sehr teure Nutte sein können. Entschuldigung.«
Sie stand da, stemmte die Arme in die Hüften und wußte nicht genau, ob sie nun sauer sein sollte oder belustigt.
»Es ist eine rein berufliche Frage«, betonte ich. »Es ist keinerlei Wertung damit verbunden. Die Menschen auf den Straßen dieser Stadt behaupten, Sie lieben gegen Geld.«
»Das tue ich nicht, oder vielmehr tue ich das nur höchst selten. Ich wähle meine Freunde aus, ich habe etwas gegen laute, fettige, dicke Männer, damit fallen drei Viertel der Weltbevölkerung schon einmal aus, oder? Es ist dagegen richtig, daß ich mich aushalten lasse von Typen, die mir wirklich gefallen.«
»Wie teuer sind Sie denn so?«
»Ich habe keinen Preis«, sagte sie. Die Belustigung in ihr schien zu siegen, und das war gut für mich. »Setzen Sie sich bitte. Wollen Sie etwas trinken?«
»Ein Wasser, bitte.« Ich hockte mich sehr vorsichtig in einen dieser sündteuren Sessel. »Um es einfach zu machen: Ich glaube, daß Watermann ermordet wurde. Deshalb bin ich hier. Ich bin hier, um zu erfahren, was mit Paolo Maggia geschah. Sind Sie eigentlich von der Genfer Polizei verhört worden?«
»Leider
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