Reise nach Genf
leichten Sommeranzug. Er hatte volles, dichtes, dunkel wirkendes Haar, ein sehr rundes Gesicht mit einem dunkelfarbenen Schnauzer. In seiner rechten Hand schlenkerte er einen Aktenkoffer.
Er kam dicht an mich heran, stellte die Tasche auf den Asphalt, reichte mir die Hand und sagte sehr förmlich: »Guten Morgen, Herr Baumeister.«
»Sie sind Manfred Gerber, nicht wahr?«
»Ist das wichtig? Sehe ich aus wie Gerber?« Er sprach ganz zurückhaltend, und er lächelte dabei schmal.
»Es gibt von Gerber in letzter Zeit keine brauchbaren Fotos. Einen Schnurrbart kann man ankleben, die Haare färben …«
»O Gott, Baumeister, das ist doch jetzt nicht wichtig …«
»Sie haben recht, vielleicht ist das nicht wichtig. Haben Sie Watermanns Tod arrangiert?«
»Die Frage ist jetzt nicht angebracht, nicht wahr? Ich will mit Ihnen sprechen, um Sie davon abzubringen, die Watermann-Recherchen erneut aufzunehmen.«
»Gibt es dafür eine Begründung?«
»Ja.« Er hockte sich neben mich.
Wenn Minna unter einem der Autos lag, mußte das ein grandioses Doppelporträt geben.
»Die Begründung sieht so aus, daß niemand, vor allem die Öffentlichkeit nicht, daran interessiert sein wird, olle Kamellen auszugraben. Watermann ist tot, und das ist verdammt gut so, ganz gleich, ob jemand ihn ermordet hat, wie Sie das nennen, oder nicht.«
»Sie wollen mir mit anderen Worten deutlich machen, daß Watermanns Tod im Sinne des Staates eine gute Sache war, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, Baumeister, ob der Staat das denkt. Ich weiß nur, daß ich so denke. Watermann war damals vollkommen ausgeflippt. Sein Geschwätz hätte nicht nur die Bundesrepublik, sondern Europa und die Welt aufgescheucht. Der Mann war außer Kontrolle, der Mann hätte niemals die ganze Wahrheit gesagt. Sie wissen so gut wie ich, Baumeister, daß eine bestimmte Sorte Politik nur über Diplomatie und Geheimdienste läuft. Watermann wollte das alles brutal zerstören. Sie wissen das genau, Baumeister, Sie haben Erfahrung.«
»Wer tötete Watermann?«
»Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht.«
»Aber Sie waren im Hotel nebenan, Gerber …«
»Ich bin nicht Gerber …«
»Erzählen Sie das Ihrer Großmutter. Watermanns Tod war eine Schweinerei, ob er reden wollte oder nicht. Es war Mord, Gerber.«
»Also gut. Ich sage Ihnen mal, was passiert, wenn Sie so weitermachen wie bisher: Sie werden den Mörder nicht kriegen, weil Sie nicht den Schimmer einer Ahnung haben, in welche Richtung Sie überhaupt suchen müssen. Also bitte ich Sie: Hören Sie auf damit, lassen Sie die Geschichte ruhen. Wir ersetzen Ihnen sämtliche Kosten.«
»Aha. Und wer ist wir?«
»Die Gruppe, die ich vertrete.«
»Welche Gruppe vertreten Sie denn, Gerber?«
»Ich bin nicht Gerber.« Er wurde heftig.
»Wie soll ich Sie nennen? Sie haben gefälschte Schweizer Papiere auf den Namen Lang. Soll ich Lang sagen? Soll ich Rohloff sagen? Also, welche Gruppe?«
»Es ist eine gemischte Gruppe. Politiker, Wirtschaftler …«
»Sie meinen Waffenhändler«, lachte ich.
»Nein, ich meine Industrielle. Wir ersetzen Ihnen alle Ihre Kosten.«
»Können Sie das von der Steuer absetzen?«
»Warum sind Sie so giftig? Es ist ein Handel wie jeder andere auch.« Er bewegte sich nicht, er bewegte nicht einmal die Arme oder die Hände, er war ein Profi.
»Nehmen wir an, ich gehe auf den Handel ein. Was bringt mir das?«
»Zweihunderttausend Dollar. In bar. Keine numerierten Scheine. Wieviel Sie davon Ihrer Partnerin abgeben, ist Ihre Sache. Keine Quittung, kein gar nichts.«
»Per Scheck?«
»O nein. Ich sagte bar.« Er bückte sich nach vorn, nahm den Aktenkoffer vom Asphalt und klappte ihn auf. Er war voll Geld. Ich kam mir vor wie in einem billigen amerikanischen Film.
»Aber Sie persönlich wollen eine Quittung?«
»Nein, ich will keine Quittung. Nichts. Sie sagen einfach okay, nehmen das Geld, und wir haben uns nie gesehen.«
»Vor was haben Sie eigentlich Angst?«
»Ich habe keine Angst«, sagte er gelassen. »Ich habe nicht die Spur von Angst. Nehmen Sie es.«
»Diesen Aktenkoffer habe ich heute schon einmal gesehen. Da kam ein Medienvertreter und bot mir für die Exklusivrechte einen Vertrag an. Es war derselbe Koffer, mit einer zerstoßenen Ecke und einer Schließe, die krumm ist und nicht einhakt. Sagen Sie jetzt nichts, es ist einfach ein Zeichen beschissener Logistik.«
Er klappte den Koffer zu und stellte ihn neben sich.
»Also, Sie gehen nicht darauf
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