Reise nach Genf
ein?«
»Nein.«
»Ich kann Ihnen vierundzwanzig Stunden Zeit geben, sich die Sache in Ruhe zu überlegen.«
»Nein.«
»Es ist Ihnen zu wenig, nicht wahr? Sie stecken in Schwierigkeiten. Sie haben nicht gut für die Rente vorgesorgt. Sie haben Schulden. Ein bißchen mehr, als Ihnen guttut. Wollen Sie das Doppelte? Oder sagen wir: fünfhunderttausend?«
»Wenn ich Sie eine Stunde weitermachen lasse, sind wir bei einer Million und haben beide eine Erkältung. Es ist kühl geworden. Machen Sie es gut, was immer Sie vorhaben, Gerber.«
»Ich bin nicht Gerber«, sagte er matt, nahm seinen Koffer und ging langsam aus der Szene.
Ich blieb auf meinem Jeep hocken und fragte mich, ob ich einen Fehler gemacht hatte. Irgendwo auf der Straße jenseits des Hauses starteten Autos und fuhren ohne sonderliche Hast davon.
»Bleib liegen«, zischte ich.
Sie bewegte sich nicht.
Ich ging langsam von dem kleinen Parkplatz weg, dann auf den Trampelpfad bis zur Straße. Die Wagen waren verschwunden. Da kehrte ich um und sah sie, wie sie mit verzerrtem Gesicht unter der vorderen Stoßstange eines Golf auftauchte. Sie war vollkommen schwarz im Gesicht.
»Hast du fotografiert?«
Sie hockte da wie ein Häufchen Elend, sah zu mir hoch und fragte: »Hast du schon einmal eine Ewigkeit auf Asphalt gelegen und konntest nicht einmal tief durchatmen?«
»Woher hast du denn so ein schwarzes Gesicht?«
»Na ja, ich lag unter der Karre und dachte plötzlich mit Schrecken: Mein Gesicht ist ganz hell! Die sehen mich! Da habe ich den Motor umarmt und mit dem Öl … ach, Baumeister, du bist ein Ekel!«
SIEBTES KAPITEL
Wir gingen ins Haus zurück. Sie humpelte ein wenig und murmelte: »Es tut mir, verdammt noch mal, alles weh. Aber ich habe ihn. Wer war das? Gerber?«
»Ich weiß es nicht genau. Wir lassen die Fotos entwickeln und können ihn vielleicht identifizieren. Ich vermute, daß er es war. Du hast es ja gehört: Da muß jemand schon sehr sicher und sehr stark sein, wenn er so unverfroren zweihunderttausend Dollar bietet und auch noch unverhohlen erklärt, daß Watermann vor seinem Tod eine Wahnsinnsgefahr für die Politik war. Ja, ich glaube, es war Gerber.«
»Was meinte er eigentlich damit, Watermann hätte niemals die ganze Wahrheit gesagt?«
»Da hat er recht. Watermann hätte nur seine Sicht der Dinge an die Öffentlichkeit gebracht, und zwangsläufig wäre das immer nur die halbe Wahrheit gewesen. Mit anderen Worten hat Gerber, oder wer immer dieser Mann auch war, bestätigt, daß Watermann sterben mußte, weil er auspacken wollte.«
»Das ist unheimlich brutal«, murmelte sie.
»So ist die Welt«, sagte ich. »Das Verrückte dabei ist, daß sehr viele Menschen genauso denken wie dieser Mann mit den vielen Dollars. Ich müßte dringend schlafen, ich habe Schmerzen.«
»Wir sollten aber abhauen«, sagte sie scharf und voller Angst.
»Ich kann nicht«, sagte ich nörgelnd. »Der Finger schmerzt wie verrückt. Ich muß zumindest Schmerzmittel nehmen. Wieso müssen wir eigentlich sofort verschwinden?«
»Das kann keine ernsthafte Frage sein«, fauchte sie. »Der Mann bietet dir zweihunderttausend Dollar. Du sagst nein. Glaubst du im Ernst, er läßt uns in Ruhe?«
»Nein«, sagte ich. »Tut mir leid, aber manchmal bin ich naiv. Also pumpe ich mich voll, und du fährst Okay?«
Wir packten also unsere Sachen, ich nahm zwei Schmerztabletten mit sehr heißem Wasser. »Das wirkt schneller, alter Krankenschwesterntrick.« Aber es wirkte nicht. Dann sah ich, daß der Gipsverband, mit dem der kleine Finger mit dem Ringfinger verbunden war, einen Bruch hatte.
»Ich hole den Wagen«, sagte sie und ging.
Draußen ging gerade die Sonne auf. Sie sagte energisch: »Du klappst den Sitz runter und legst dich lang!«
»Wieso das?«
»Weil ich keinen schlappen Macker gebrauchen kann.«
Ich folgte ihrem Befehl, und sehr bald wurde mein Körper wunderbar weich und schläfrig.
»Oberammergau?« fragte sie.
»Oberammergau«, sagte ich. Dann schlief ich ein.
Irgendwann rüttelte sie mich energisch wach. Sie fuhr auf einer glatten, breiten Straße, die von himmelstürmenden Bergen eingerahmt wurde. »Da ist ein verdammt schnelles Wohnmobil hinter mir. Und zwar die ganze Zeit.«
»Wo sind wir jetzt?«
»Zwischen Bergen und Zürich. Es hat eine Hamburger Nummer. Zwei Männer sitzen vorn. Es ist ein Wohnmobil auf Mercedes-Chassis, der Mann fährt wirklich gut.«
»Hast du eine Pause gemacht?«
»Nein, bisher nicht, aber wir müssen
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