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Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Weg.«
    »Aber doch nicht sofort, es ist doch viel zu früh.«
    »Beruhige dich.«
    »Nimmst du ein Tonband mit? Du mußt ein Tonband mitnehmen, das mußt du. Wie ist das eigentlich mit dem Finger? Hast du wieder Schmerzen?«
    »Leg dich einen Moment auf den Rücken, achte auf deinen Atem und auf nichts sonst.«
    Schließlich beruhigte sie sich wieder und fragte: »Hast du auch Angst?«
    »Na sicher habe ich Angst. Ich habe meistens Angst. Darum bin ich ja auch so gut.«
    Ich zog ein weißes Hemd an, damit sie mich besser sehen konnten, setzte ihr den Grünfilter auf den Apparat, legte einen hochempfindlichen Film ein und sagte: »Drück uns die Daumen!«
    Ich ging die zwei kurzen Treppen hinunter in das Erdgeschoß. In der Haustür steckte kein Schlüssel, die Tür war offen. Ich mußte zwei Stufen hinunter, dann etwa vier Meter durch einen kurzen Vorgarten, in dem rechts und links gelbe und rote Rosen wuchsen. Sie rochen sehr intensiv. Es war vollkommen still. Das kleine Gartentor quietschte ein wenig, ich drehte mich herum, um das Türchen wieder zuzuziehen. Dabei konnte ich sehen, daß das Licht im Treppenhaus bereits wieder ausging, das Licht in unserem Zimmer anblieb. Ich hoffte, sie würde clever genug sein, die Lampe im Zimmer nicht zu löschen, wenn sie hinausging.
    Dann wandte ich mich nach rechts. Zwischen der Pension und dem nächsten Haus führte ein Trampelpfad hindurch. Ich mußte fünfzig Meter am Grundstück der Pension entlanggehen, um erneut wieder nach rechts abzubiegen. Ich war jetzt hinter der Pension, die vollkommen im Dunkeln lag.
    Ich blieb stehen, um mir die Situation genau einzuprägen. Rechts war ein kleiner Zaun zum Garten der Pension hin, links eine schmale Stichstraße. Diese führte zum Parkplatz mit seinen etwa zwanzig Stellplätzen. Der Jeep stand in der rechten Reihe. Auf dem kleinen Platz standen zwei alte Gaslaternen, zwei Meter hoch mit mattgelben Kuppeln. Wenn es Minna gelang, hinter die linke Autoreihe zu kommen, sich unter ein Auto zu legen, würde es möglicherweise klappen. Ich starrte wieder auf die Hausfront. Es war nichts zu sehen und absolut nichts zu hören.
    Ich holte die gestopfte Spitfire von Lorenzo aus der Hosentasche und zündete sie an. Ich glaube nicht, daß ich rauchen wollte, ich glaube, ich wollte herausfinden, ob meine Hände zitterten. Sie taten es nicht. Dann drehte ich mich herum und ging den Weg wieder zurück, langsam, nicht im geringsten beunruhigt, nicht einmal gespannt. Ich ging wie jemand, der einen Nachtspaziergang macht, weil er hofft, müde zu werden.
    Ich kann mich genau daran erinnern: Ich summte das berühmte Hornsolo »No More Lovesong«. Ich wollte, daß mich die Männer, die mich im Visier hatten, mit ihren Blicken verfolgten, ich wollte sie binden. Aber zunächst sah ich nichts.
    Auf meinem Weg zurück auf die Straße vor dem Haus glaubte ich, rechts auf dem Nachbargrundstück eine Bewegung zu sehen, aber es konnte Einbildung sein. Dann kam das Geräusch eines schweren Motors hoch. In der Ferne, hoch über den Häusern der Nachbarschaft, blitzten Scheinwerfer auf. Ein schwerer Truck kam eine Bergschleife hinunter, bog etwa dreihundert Meter vor mir auf die Straße ein und näherte sich mit hoher Geschwindigkeit.
    Dann sah ich es: Als ich aus dem Vorgarten auf die Straße gekommen war, hatten dort keine Autos gestanden. Jetzt standen dort zwei. In beiden saßen Menschen, aber ich konnte nicht erkennen, wie viele es waren.
    Ich blieb stehen, ich war ungefähr zehn bis zwölf Meter von ihnen entfernt. Ich klappte das Corona-Feuerzeug auf und drehte die Flamme hoch. Ich wollte, daß sie alle auf mich starrten, daß niemand auf die Idee kam, sich in andere Richtungen umzuschauen. Das Feuerzeug war ein kleiner Flammenwerfer. Ich dachte flüchtig daran, daß ich mir Tabak kaufen müßte, und wahrscheinlich würde wieder kein Geschäft »Charatan 45« haben.
    Dann drehte ich mich erneut um und schlenderte den Weg zurück.
    Ich zündete noch einmal die Pfeife an und ging geradewegs zu dem kleinen Parkplatz. Ich hockte mich auf den hinteren Tritt meines Jeeps und schmauchte vor mich hin. Entweder lag Minna längst unter einem der Autos, oder sie hatte es nicht geschafft. Fast wäre mir lieber gewesen, die Angst hätte sie im Bett festgebunden.
    Er kam pünktlich, seit seinem Anruf waren achtundzwanzig Minuten vergangen. Er kam denselben Weg, den ich gekommen war. Er war mittelgroß, ein wenig kleiner als ich, gedrungen gebaut, in einem hellen,

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