Reise nach Genf
daß hier ein Königstreffen der Waffenschieber stattfand. Ob unser kleiner Watermann für diese Kameraden von Wichtigkeit war, wissen wir nicht. Wahrscheinlich nicht. Wenn er für Gerber wichtig war, dann nur, weil Gerber ganz nebenbei in Genf überwachen konnte, ob Watermann ordnungsgemäß das Zeitliche segnet. Watermann war etwas, das man zwischen Tür und Angel erledigen konnte. Wenn Watermann wirklich in Waffenhändel verstrickt war, müssen wir den Spieß herumdrehen. Dann war es einfach, ihn nach Genf zu locken. Der, der ihn lockte, brauchte bloß zu sagen: Komm her, hier gibt es eine Menge Leute, die dich retten können, weil du ihnen einmal behilflich warst! Das ist logisch, das ist wahrscheinlich, und noch viel wahrscheinlicher ist, daß er auf diese Zusicherung hin blind nach Genf flog. Logisch?«
»Das ist irre, das kann sehr gut sein.«
»In Genf hatte er Freunde. Das dachte er zumindest. Denn wer hat Watermanns Zimmer im ›Beau Rivage‹ bestellt? Nicht Watermann selbst, nicht seine Frau, nicht seine Familie. Irgend jemand hat aber sein Zimmer gebucht. Wahrscheinlich der, der ihn nach Genf lockte.«
»Aber das kann jeder von denen sein, die da an der Wand hängen. Praktisch kann jeder der in Genf Versammelten gebeten worden sein, zum Beispiel Gerber den Gefallen zu tun, mal eben für Watermanns Ableben zu sorgen.«
»Ja, wenn man versteht, wie wichtig Gerber als Verhandlungspartner für jeden dieser einzelnen ist. Gerber will nicht nur die Geisel im Libanon herausholen, er will außerdem seine Wichtigkeit betonen. Er will klar zu erkennen geben, daß er zwar für ein deutsches Großunternehmen verhandelt, daß aber praktisch der Staat mit seinen Geheimdiensten hinter ihm steht. Er weiß, daß er Leuten gegenübersitzt, die nur am Rande ein wirkliches Interesse an dieser deutschen Geisel haben. In Wirklichkeit wollen sie alle Waffen, und in Deutschland gibt es prima Waffen. Es ging also auch um Zaster, um viel Zaster.«
»Du lieber Gott, das wird ja immer wilder. Und trotzdem willst du weitermachen?«
»Wir haben schon Paolo. Kein Mensch wußte bisher, daß es einen Paolo überhaupt gab. Wir stochern noch ein bißchen herum und schauen, was passiert.«
»Baumeister, sei ehrlich, du hast doch einen Verdacht.« Sie lächelte mir aufmunternd zu.
»Ich habe wirklich keinen. Wir wissen, daß dieser Tod einer Menge Leute sehr gelegen kam. Wer letztlich dafür verantwortlich war, weiß ich nicht. Im übrigen …«
Das Telefon läutete, und Minna zuckte zusammen. »Es ist drei Uhr morgens«, sagte sie aufgeregt.
Ich nahm den Hörer ab. »Ja bitte?«
»Spreche ich mit Herrn Baumeister?« Der Mann hatte eine etwas hohe Stimme, machte aber einen gelassenen Eindruck.
»Baumeister ist dran«, sagte ich.
»Ich möchte Sie treffen«, sagte der Mann.
»Wer sind Sie denn?«
»Das spielt jetzt wirklich keine Rolle«, sagte er freundlich.
»Ich möchte Sie treffen. Jetzt gleich.«
»Wo?«
»Bestimmen Sie das. Kommen Sie allein. Ich meine, ohne Ihre Freundin.«
»Gut. Also in einer halben Stunde auf dem Parkplatz hinter dieser Pension. Kommen Sie ebenfalls allein?«
»Ich komme ebenfalls allein«, lachte er freundlich.
Minna war weiß im Gesicht. »Sie wissen also, daß wir hier sind.«
»Ja. Sie haben es wahrscheinlich von Beginn an gewußt.«
»Wer war das?«
»Ich weiß es nicht. Er will mich treffen. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Ich gebe dir eine Optik mit Restlichtverstärker, dann suchen wir dir eine geeignete Position.«
»Und wenn er dich erschießt?«
»Warum sollte er das? Ich werde mich genau in die Mitte des Parkplatzes stellen, also zwischen die beiden Reihen Autos. Du wirst dich unter eines der Autos legen und fotografieren. Sonst rührst du dich nicht vom Fleck.«
»Was ist, wenn er nicht allein ist?«
»Er wird allein sein. Er wird wissen, daß ich abhauen werde, wenn er nicht allein ist. Schlimmer sind die Leute, die er schon hier hat.«
»Wie meinst du das?«
»Wenn er hier mitten in der Nacht anruft, dann muß er hier Leute haben, die ihm von uns erzählt haben.«
»Dann mach doch das Licht aus«, zischte sie.
»Bitte, keine Hysterie. Du mußt versuchen, unbemerkt aus dem Haus zu schleichen, während ich draußen rummarschiere. Wo immer sie hocken, sie werden mich beobachten. Das ist deine Deckung. Zieh etwas Dunkles an. Und atme langsam durch und komm zur Ruhe. Ich schalte im Treppenhaus das Licht ein und gehe hinaus. Wenn das Licht ausgeht, suchst du dir einen
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