Reise nach Ixtlan.
einzujagen, weil ich selbst ihn durch die Wucht meines vorhersehbaren Verhaltens um den Verstand brächte. Meine Routinegewohnheiten seien ebenso verrückt wie sein Nachahmen der Sirene. Ich war entsetzt und versicherte, daß ich wirklich keinerlei Routine hätte. Ich sagte ihm, ich sei eher der Meinung, daß mein Leben ziemlich chaotisch sei, gerade, weil es mir an gesunder Routine fehlte.
Don Juan lachte und forderte mich durch ein Zeichen auf, mich neben ihn zu setzen.
Wieder hatte die ganze Situation sich rätselhaft verändert. Meine Furcht war geschwunden, sobald er zu sprechen angefangen hatte.
»Worin besteht meine Routine?« fragte ich. »Alles, was du tust, ist Routine«.
»Trifft das nicht auf uns alle zu?«
»Nicht auf alle. Ich tu nichts aus Routine.«
»Wodurch wurde dies alles ausgelöst, Don Juan? Was habe ich gesagt oder getan, das dich zu dem Verhalten von eben veranlaßt hat?«
»Du machtest dir über das Mittagessen Sorgen.«
»Ich habe nichts dergleichen gesagt; wie konntest du wissen, daß ich mir um das Essen Gedanken machte?«
»Du sorgst dich jeden Tag gegen Mittag um das Essen, und gegen sechs Uhr abends und gegen acht Uhr morgens«, sagte er mit boshaftem Grinsen. »Du sorgst dich zu diesen Zeiten auch dann um das Essen, wenn du nicht hungrig bist. Ich brauchte nur meine Sirene zu blasen, um dein Routinedenken bildlich zu machen. Dein Denken ist darauf trainiert, nach einem Signal zu arbeiten.«
Er sah mich fragend an. Ich konnte mich nicht verteidigen, »Du bist drauf und dran, die Jagd zu einer Routine zu machen«, fuhr er fort. »Du hast bereits deinen Rhythmus bei der Jagd gefunden. Du sprichst zu einer bestimmten Zeit, du ißt zu einer bestimmten Zeit, und du schläfst zu einer bestimmten Zeit ein.« Ich wußte nichts zu sagen. Was Don Juan als meine Eßgewohnheiten beschrieben hatte, war das Schema für alle Dinge in meinem Leben. Dennoch war ich fest davon überzeugt, daß mein Leben weniger Routine war als das der meisten Freunde und Bekannten. »Jetzt weißt du sehr viel über die Jagd«, fuhr Don Juan fort. »Du wirst ohne weiteres erkennen, daß ein guter Jäger vor allem eines weiß - er kennt die Routinegewohnheiten seiner Beute. Das ist es, was ihn zu einem guten Jäger macht. Wenn du dich daran erinnerst, wie ich vorging, als ich dich die Jagd lehrte, dann wirst du vielleicht verstehen, was ich meine. Zuerst lehrte ich dich, die Gewohnheiten des Jagdwildes zu beobachten, und dann prüften wir die Fallen auf ihr routinemäßiges Funktionieren. Diese Schritte sind die äußeren Formen der Jagd. Jetzt muß ich dich den letzten und bei weitem schwierigsten Schritt lehren. Vielleicht werden Jahre vergehen, bevor du sagen kannst, daß du ihn verstehst und daß du ein Jäger bist.« Don Juan machte eine Pause, um mir Zeit zu lassen. Er nahm den Hut ab und ahmte die Putzbewegungen der Nagetiere nach, die wir beobachtet hatten. Dies kam mir sehr spaßig vor. Sein runder Kopf ließ ihn wie eines dieser Nagetiere aussehen. »Ein Jäger sein bedeutet nicht nur, das Wild in der Falle zu fangen« , fuhr er fort. »Ein Jäger, der sein Salz wert ist, fängt das Wild nicht deshalb, weil er seine Fallen aufstellt oder weil er die Routine seiner Beute kennt, sondern weil er selbst keine Routine hat. Das ist sein Vorteil. Er ist ganz anders als die Tiere, denen er nachstellt, die an feste Gewohnheiten und berechenbare Routinetricks gebunden sind. Er ist frei, beweglich, unberechenbar.« Was Don Juan mir da sagte, kam mir als willkürliche, irrationale Idealisierung vor. Ich konnte mir ein Leben ohne Routine nicht vorstellen. Ich wollte ihm gegenüber ganz aufrichtig sein und ihm nicht einfach zustimmen oder widersprechen. Ich glaubte, daß es für mich wie für jeden anderen unmöglich sei, das, was ihm vorschwebte, zu vollbringen.
»Ich gebe nichts auf das, was du glaubst«, sagte er. »Um ein Jäger zu sein, mußt du die Routine deines Lebens unterbrechen. Du warst geschickt bei der Jagd. Du hast schnell gelernt, und nun kannst du sehen, daß du genau wie deine Beute bist, leicht berechenbar.« Ich bat ihn, sich genauer auszudrücken und mir konkrete Beispiele zu nennen.
»Ich spreche über die Jagd«, sagte er ruhig. »Darum befasse ich mich mit dem, was die Tiere tun; mit ihren Freßplätzen; damit, wo, wie und wann sie schlafen; wo sie ihr Nest bauen; wie sie laufen. Das sind die Routinegewohnheiten, die ich dir erkläre, damit du sie in deinem eigenen Wesen erkennst. Du hast
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