Reise nach Ixtlan.
Wechsel des Windes aufzupassen, hatte mich so in Anspruch genommen, daß ich völlig die Zeit vergessen hatte.
Wir gingen in eine tiefe Schlucht und dann auf ein kleines Plateau an der Flanke eines gewaltigen Berges. Wir stiegen sehr hoch hinauf, beinah bis zum Gipfel. Don Juan kletterte auf einen hohen Felsen am Rand des Plateaus und half mir hinauf. Der Felsen war so gelegen, daß er wie eine Kuppel über den steilen Wänden aussah. Wir umrundeten ihn langsam. Schließlich mußte ich auf dem Gesäß über das Gestein rutschen, wobei ich mich mit Händen und Fersen am Boden festhielt. Ich war schweißgebadet und mußte immer wieder meine Hände trockenreiben. Auf der anderen Seite sah ich eine sehr große, flache Höhle nicht weit vom Gipfel des Berges entfernt. Sie wirkte wie ein aus dem Felsen gehauenes Gewölbe. Der Sandstein war in der Form eines von zwei Säulen eingefaßten Balkons verwittert. Don Juan sagte, wir würden dort die Nacht verbringen, es sei ein sehr sicherer Platz, denn er war zu flach, um Löwen und anderen Raubtieren als Unterschlupf zu dienen, zu offen als Schlupfwinkel für Ratten und zu windig für Insekten. Er lachte und sagte, der Platz sei ideal für Menschen, denn kein anderes Lebewesen könne es dort aushalten.
Behende wie eine Bergziege kletterte er hinauf. Ich bewunderte seine erstaunliche Gewandtheit. Langsam ließ ich mich auf dem über den Fels hinabgleiten und versuchte dann, die Bergflanke hinaufzuklettern, um das Felsband zu erreichen. Die letzten paar Meter erschöpften mich völlig. Ich fragte Don Juan scherzhaft, wie alt er wohl sei. Um so zu dem Sims hinaufzuklettern, wie er es getan hatte, so dachte ich, mußte man schon sehr gut in Form und jung sein.
»Ich bin so jung, wie ich sein will«, sagte er. »Auch das ist eine Form der persönlichen Kraft. Wenn du Kraft speicherst, kann dein Körper unglaubliche Dinge vollbringen. Wenn du hingegen die Kraft vergeudest, dann wirst du im Handumdrehen ein fetter alter Mann sein.«
Der Sims verlief von Osten nach Westen. Die offene Seite der balkonartigen Gesteinsformen wies nach Süden. Ich trat ans westliche Ende. Der Ausblick war großartig. Der Regen hatte unseren Standort ausgespart. Wie ein Vorhang aus durchsichtigem Material hing er über dem Flachland.
Don Juan sagte, wir hätten genügend Zeit, um uns einen Wetterschutz zu bauen. Er forderte mich auf, so viele Steine aufeinander zuschichten, wie ich zum Sims hinaufschleppen konnte, während er Zweige für ein Dach zusammensuchte. Binnen einer Stunde hatten wir am östlichen Ende des Simses eine etwa einen halben Meter dicke Mauer errichtet. Sie war etwa fünfzig Zentimeter lang und einen Meter hoch. Er flocht und band die Zweige, die er gesammelt hatte, zu einem Dach zusammen, das er auf zwei langen, in Gabeln auslaufenden Stangen befestigte. Eine weitere Stange von gleicher Länge wurde am Dach selbst befestigt und stützte es auf der Seite, die der Mauer gegenüber lag. Das Bauwerk sah aus wie ein hoher Tisch mit drei Beinen. Don Juan setzte sich mit gekreuzten Beinen darunter, ganz an den Kund des Balkons. Er sagte, ich solle mich rechts neben ihn setzen. Wir schwiegen eine Weile. Don Juan brach das Schweigen. Er flüsterte, wir müßten uns ganz normal verhalten. Ich fragte, ob ich etwas Bestimmtes tun solle. Er sagte, ich solle mich mit Schreiben beschäftigen und so tun, als säße ich am Schreibtisch und dächte an nichts anderes als ans Schreiben. Irgendwann würde er mich anstubsen und dann sollte ich in die Richtung schauen, die er mir mit den Augen weist. Er mahnte mich, kein Wort zu sagen, ganz gleich, was ich sehen würde. Nur er könne ungestraft sprechen, weil er mit allen Kräften in diesen Bergen bekannt sei.
Ich befolgte seine Anweisungen und schrieb länger als eine Stunde. Ich war ganz in meine Arbeit versunken. Plötzlich spürte ich eine leichte Berührung am Arm und sah, wie Don Juan mit dem Kopf auf eine etwa einhundert Meter entfernte Nebelbank wies, die vom Gipfel des Berges herabschwebte. Don Juan flüsterte mir mit so leiser Stimme ins Ohr, daß es selbst auf diese kurze Entfernung kaum hörbar war: »Laß den Blick über die Nebelbank hin und her schweifen, aber sieh sie nicht direkt an. Zwinkere mit den Augen, aber richte sie nicht starr auf den Nebel. Wenn du in der Nebelbank eine grüne Stelle entdeckst, dann zeig sie mir mit den Augen.« Ich ließ den Blick von links nach rechts über die Nebelbank gleiten, die langsam zu uns
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