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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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auf dem Boden stellte mein Gleichgewichtsgefühl wieder her. Ich lag auf einer ebenen Stelle. Ich begann, tastend meine unmittelbare Umgebung zu erkunden.
    Ich spürte trockene Blätter und Zweige.
    Plötzlich zuckte ein Blitz auf, der die ganze Gegend erhellte. Ich sah Don Juan zu  meiner Linken stehen. Hinter ihm sah ich riesige Bäume und eine Höhle.
    Don Juan sagte, ich solle in die Höhle gehen. Ich kroch hinein und lehnte mich mit dem Rücken gegen den Fels. Ich spürte, wie Don Juan sich herüberbeugte und mir zuflüsterte, ich solle ganz still bleiben.
    Es blitzte dreimal hintereinander. Ein Blick zeigte mir, daß Don Juan mit gekreuzten Beinen zu meiner Linken saß. Die Höhle war eine konkave Gesteinsformation, groß genug, um zwei oder drei sitzenden Personen Platz zu bieten. Die Höhle schien in den Fuß eines Felsens eingelassen. Es war wirklich klug gewesen, dachte ich, daß ich auf allen Vieren hineingekrochen war, denn wäre ich aufrecht gegangen, so hätte ich mir den Kopf am Felsen angestoßen.
    Die Helligkeit der Blitze gab mir eine Vorstellung, wie dicht die Nebelbank war. Die Stämme gigantischer Bäume hoben sich als dunkle Umrisse gegen die undurchsichtige hellgraue Masse des Nebels ab.
    Don Juan flüsterte mir zu, der Nebel und die Blitze seien miteinander verbündet, und ich müsse eine anstrengende Nachtwache halten, weil ich in ein Gefecht der Kraft verwickelt sei. In diesem Augenblick verwandelte ein gewaltiger Blitzstrahl den ganzen Schauplatz ins Irreale. Der Nebel wirkte wie ein weißer Filter, der das Licht der elektrischen Entladung gefrieren ließ und es einheitlich streute; der Nebel war wie eine zwischen den Bäumen hängende, dichte, weißliche Substanz, doch direkt vor mir lichtete er sich über dem Boden. Deutlich konnte ich die Umrisse der Landschaft erkennen. Wir befanden uns in einem Pinienwald. Um uns her standen sehr hohe Bäume. Sie waren so ungemein hoch, daß ich hätte schwören können, wir seien in den Red-Woods, hätte ich nicht genau gewußt, wo wir uns tatsächlich befanden. Dann gab es eine mehrere Minuten andauernde Salve von Blitzen. Jeder Blitz ließ die Umrisse, die ich bereits wahrgenommen hatte, deutlicher hervortreten. Direkt vor mir sah ich ganz klar einen Weg. Dort gab es keine Vegetation. Er schien in eine Lichtung zu münden.
    Es waren so viele Blitze, daß ich nicht feststellen konnte, woher sie kamen. Die Szenerie wurde so überhell beleuchtet, daß ich mich nun viel wohler fühlte. Meine Angst und Unsicherheit waren verschwunden, sobald es hell genug war, um den schweren Vorhang der Dunkelheit zu lüften. Als daher eine längere Pause zwischen den einzelnen Blitzen eintrat, war ich nicht mehr durch die mich umgebende Finsternis desorientiert.
    Don Juan flüsterte mir zu, ich hätte nun wahrscheinlich genug beobachtet und solle meine Aufmerksamkeit auf das Geräusch des Donners konzentrieren. Zu meiner Verwunderung stellte ich fest, daß ich überhaupt nicht auf den Donner geachtet hatte, und dies, obwohl es wirklich ungeheuer laut donnerte. Don Juan fügte hinzu, ich solle die Richtung feststellen, aus der das Geräusch kam, und dorthin blicken. Es gab jetzt keine Blitz- und Donnersalven mehr, sondern nur noch sporadische, sehr helle und von starkem Donner begleitete Blitze. Der Donner schien immer von rechts zu kommen. Der Nebel hob sich, und ich konnte, da ich mich bereits an die pechschwarze Dunkelheit der Nacht gewöhnt hatte, die Umrisse der Vegetation ausmachen. Es blitzte und donnerte weiterhin, und plötzlich riß die ganze rechte Seite auf, und ich konnte den Himmel sehen.
    Das Gewitter schien sich nach rechts zu verlagern. Wieder strahlte ein Blitz auf, und ganz rechts in der Ferne sah ich einen Berg. Der Blitz erleuchtete den Hintergrund, vor dem sich die massige Silhouette des Berges abzeichnete. Er war mit Bäumen bewachsen; die sahen aus wie feinsäuberliche schwarze Scherenschnitte vor dem strahlend weißen Himmel. Ich konnte sogar die Haufenwolken über den Bergen sehen.
    Der Nebel um uns her hatte sich völlig gelichtet. Es wehte ein stetiger Wind, und ich konnte in den großen Bäumen zu meiner Linken die Blätter rascheln hören. Das Gewitter war zu weit entfernt, um diese Bäume zu beleuchten, doch ihre dunklen massiven Silhouetten blieben erkennbar. Das Licht des Gewitters erlaubte mir jedoch festzustellen, daß rechts von mir in der Ferne eine Bergkette lag, und daß es nur zu meiner Linken Wald gab. Mir war, als schaute ich

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