Reise nach Ixtlan.
herauszufinden«, sagte er, als könnte er meine Gedanken lesen. »Die Welt ist ein Rätsel. All dies, was du hier siehst, ist noch nicht alles. Es gibt so viel in der Welt, wirklich so viel mehr - eine Unendlichkeit. Wenn du also versuchst, es herauszufinden, dann tust du in Wirklichkeit nichts anderes, als die Welt zu etwas Alltäglichem zu machen. Du und ich, wir sind einfach deshalb hier in der Welt, die du real nennst, weil wir beide sie kennen. Du kennst die Welt der Kraft nicht, deshalb kannst du sie nicht zu etwas Alltäglichem machen.«
»Weißt du, ich kann dem eigentlich nicht widersprechen«, sagte ich. »Aber mein Verstand kann es wiederum nicht akzeptieren.« Er lachte und tätschelte mir den Kopf.
»Du bist wirklich verrückt«, sagte er. »Aber das macht nichts. Ich weiß, wie schwer es ist, wie ein Krieger zu leben. Hättest du meine Anweisungen befolgt und all die Taten vollbracht, die ich dich lehrte, dann hättest du jetzt genügend Kraft, um diese Brücke zu überqueren. Genügend Kraft, um zu sehen und um die Welt anzuhalten.«
»Aber warum soll ich die Kraft begehren, Don Juan?«
»Du kannst den Grund dafür noch nicht erkennen. Aber wenn du genügend Kraft aufspeicherst, dann wird die Kraft selbst dir gute Gründe zeigen. Klingt verrückt, nicht wahr?«
»Warum begehrtest du selbst Kraft, Don Juan?«
»Ich bin wie du. Ich begehrte sie nicht. Ich sah keinen Grund, sie zu besitzen. Ich hatte die gleichen Zweifel wie du und befolgte nie die Anweisungen, die mir gegeben wurden, oder zumindest glaubte ich, daß ich es nie tat; aber trotz meiner Dummheit speicherte ich genügend Kraft, und eines Tages ließ meine persönliche Kraft die Welt einstürzen.«
»Aber warum sollte irgend jemand den Wunsch haben, die Welt anzuhalten?«
»Das tut niemand, das ist ja der springende Punkt. Es geschieht einfach. Und sobald du weißt, was es heißt, die Welt anzuhalten, erkennst du den Grund dafür. Siehst du, es ist eine der Taten eines Kriegers, die Welt aus einem bestimmten Grund einstürzen zu lassen und sie dann wieder aufzubauen, um weiterzuleben.« Ich meinte, er könne mir vielleicht am einfachsten helfen, wenn er mir ein Beispiel für diesen besonderen Grund, die Welt einstürzen zu lassen, nennen würde. Er schwieg eine Weile. Er schien zu überlegen. »Das kann ich dir nicht sagen«, sagte er. Eines Tages wirst du trotz allem leben wie ein Krieger; dann wirst du vielleicht genügend persönliche Kraft gespeichert haben, um dir diese Frage selbst zu beantworten.
Ich habe dich beinah alles gelehrt, was ein Krieger wissen muß, um in die Welt zu ziehen und selbst Kraft zu speichern. Doch ich weiß, daß du es noch nicht kannst, und ich muß Geduld mit dir haben. Ich weiß gewiß, daß es einen lebenslangen Kampf erfordert, um in der Welt der Kraft man selbst zu sein.« Don Juan blickte zum Himmel und auf die Berge. Die Sonne sank bereits im Westen, und über den Bergen bildeten sich Regenwolken, die rasch wuchsen. Ich wußte nicht, wie spät es war; ich hatte vergessen, meine Uhr aufzuziehen. Ich fragte ihn, ob er wisse, wie spät es sei, darauf bekam er einen solchen Lachanfall, daß er von der Steinplatte ins Gebüsch kollerte. Er stand auf, streckte die Arme und gähnte. »Es ist noch früh«, sagte er. »Wir müssen warten, bis der Nebel sich um den Berggipfel zusammenzieht, und dann mußt du allein auf dieser Steinplatte stehen und dem Nebel für seine Gunst danken. Laß ihn kommen und dich einhüllen. Ich werde in der Nähe sein, um dir, falls nötig, zu helfen.«
Die Aussicht, im Nebel allein zu bleiben, ängstigte mich. Ich kam mir töricht vor, weil ich so irrational reagierte. »Du darfst diese einsamen Berge nicht verlassen, ohne ihnen Dank zu sagen«, sagte er mit Bestimmtheit. »Ein Krieger kehrt nie der Kraft den Rücken, ohne ihr für die empfangene Gnade seinen Dank zu erweisen.« Er legte sich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen auf den Rücken und bedeckte sein Gesicht mit dem Hut. »Wie soll ich auf den Nebel warten?« fragte ich. »Und was soll ich tun?«
»Schreib«, sagte er durch seinen Hut. »Aber schließ nicht die Augen, und wende dich nicht ab.«
Ich versuchte zu schreiben, konnte mich aber nicht konzentrieren. Ich stand auf und ging unruhig umher. Don Juan hob seinen Hut und sah mich mit ärgerlicher Miene an. »Setz dich!« befahl er mir.
Er sagte, das Gefecht der Kraft sei noch nicht beendet, und ich müsse meinen Geist lehren, gelassen zu sein. Ich solle
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