Reise nach Ixtlan.
und mit sehr leiser, aber bestimmter Stimme sagte er, er habe nicht die Absicht, sich durch meine Dummheit und meinen Mangel an Konzentration eine Verletzung zuzuziehen, und, falls ich ihn wieder trete, müsse ich eben barfuß gehen.
»Ich kann nicht ohne Schuhe gehen«, sagte ich mit lauter, heiserer Stimme.
Don Juans Lachen überschlug sich, und wir mußten warten, bis er sich beruhigt hatte.
Er versicherte mir nochmals, daß er das, was er sagte, ernst meinte. Wir seien unterwegs, um mit der Kraft in Verbindung zu treten, und alles müsse vollkommen sein.
Die Aussicht, ohne Schuhe durch die Wüste zu laufen, beängstigte mich unglaublich. Don Juan witzelte, daß meine Familie vermutlich zu der Sorte Bauern gehöre, die ihre Schuhe nicht mal nachts im Bett ausziehen. Er hatte natürlich recht. Ich war nie barfuß gelaufen, und ohne Schuhe durch die Wüste zu gehen, wäre für mich selbstmörderisch gewesen.
»Diese Wüste strömt Kraft aus«, flüsterte Don Juan mir ins Ohr. »Wir haben keine Zeit, zu zaudern.«
Wir setzten uns wieder in Marsch. Don Juan schlug ein bequemes Tempo ein. Nach einiger Zeit bemerkte ich, daß wir den festen Boden verlassen hatten und auf weichem Sand gingen. Don Juans Füße sanken ein und hinterließen tiefe Spuren. So gingen wir mehrere Stunden, bis Don Juan haltmachte. Er blieb nicht plötzlich stehen, sondern warnte mich im voraus, daß er stehenbleiben würde, damit ich nicht gegen ihn stieße. Der Boden war nun wieder fest, und es schien, als gingen wir eine Steigung hinauf.
Don Juan sagte, falls ich in die Büsche gehen müsse, solle ich es jetzt tun, denn von nun an hätten wir eine solide Wegstrecke ohne eine einzige Pause vor uns. Ich sah auf die Uhr; es war ein Uhr morgens.
Nach einer Rast von zehn bis fünfzehn Minuten hieß Don Juan mich wieder Aufstellung nehmen, und wir gingen weiter. Er hatte recht, es war eine furchtbare Wegstrecke. Nie zuvor hatte ich etwas getan, das so viel Konzentration verlangte. Don Juans Gangart war so schnell, und die Anspannung, jeden seiner Schritte zu beobachten, erreichte ein solches Maß, daß ich von einem bestimmten Augenblick an nicht mehr zu spüren meinte, daß ich überhaupt ging. Ich fühlte meine Füße und Beine nicht mehr. Es war, als ginge ich auf Luft und irgendeine Kraft trüge mich immer weiter. Meine Konzentration war so vollkommen, daß ich den allmählichen Wechsel des Lichts nicht mehr bemerkte. Plötzlich wurde mir bewußt, daß ich Don Juan vor mir sehen konnte. Ich sah nun seine Füße und seine Spuren, statt sie mehr oder minder zu erraten, wie ich es während des größten Teils der Nacht getan hatte. Irgendwann sprang er unerwartet zur Seite, und mein Schwung trug mich noch etwa zehn Meter weiter. Als ich abbremste, waren meine Beine kraftlos und fingen an zu zittern, bis ich schließlich zu Boden stürzte.
Ich sah zu Don Juan auf, der mich ruhig anblickte. Er schien nicht müde zu sein. Ich rang nach Atem und war in kalten Schweiß gebadet.
Don Juan wirbelte mich n liegender Stellung herum, wobei er mich am Arm zog. Er sagte, daß ich, wenn ich wieder zu Kräften kommen wollte, mit dem Kopf nach Osten gewandt liegen müsse. Nach und nach entspannte ich mich, und mein schmerzender Körper erholte sich. Schließlich hatte ich Energie genug, um aufzustehen. Ich wollte auf die Uhr schauen, aber er hinderte mich daran, indem er mit der Hand mein Handgelenk umschloß. Ganz sachte drehte er mich um, so daß ich nach Osten blickte, und sagte, mein elender Wecker sei jetzt nicht nötig, denn wir befänden uns in der magischen Zeit und würden bald Gewißheit haben, ob ich fähig sei, nach Kraft zu jagen.
Ich sah mich um. Wir befanden uns auf dem Gipfel eines sehr hohen Berges. Ich wollte auf etwas zugehen, das wie eine Felskante oder -spalte aussah, aber Don Juan sprang mir nach und hielt mich zurück.
Er befahl mir in eindringlichem Ton, ich solle an der Stelle bleiben, wo ich gestürzt war, bis die Sonne über den nahen schwarzen Berggipfeln aufging. Er wies nach Osten und machte mich auf eine schwere Wolkenbank über dem Horizont aufmerksam. Er sagte, es sei ein gutes Omen, wenn der Wind die Wolken rechtzeitig fortbläst, damit die ersten Sonnenstrahlen meinen Körper hier auf dem Gipfel treffen. Er sagte, ich solle ruhig stehenbleiben, den rechten Fuß vorgestreckt, als würde ich gehen, und nicht direkt auf den Horizont blicken, sondern das Auge schweifen lassen. Meine Beine wurden ganz steif und meine
Weitere Kostenlose Bücher