Reise nach Ixtlan.
meine Gefühle durch nichts verraten, wenn ich nicht in diesen Bergen gefangen bleiben wolle.
Er setzte sich auf und machte eine drängende Handbewegung. Er sagte, ich müsse so tun, als geschehe nichts Außergewöhnliches, denn an Orten der Kraft wie dem, an dem wir uns befanden, sei damit zu rechnen, daß sie Menschen, die sich beunruhigen, aufsaugen. Und so könne man eine seltsame, schädliche Bindung an einen Ort entwickeln.
»Solche Bindungen verankern den Menschen an einem Ort der Kraft, manchmal für sein Leben«, sagte er. »Und dies ist nicht der Platz für dich. Du hast ihn nicht selbst gefunden. Schnalle also deinen Gürtel fest und verlier nicht die Hosen.« Seine Ermahnungen wirkten auf mich wie ein Bann. Stundenlang schrieb ich ohne Unterbrechung.
Don Juan schlief wieder ein und wachte erst auf, als der von den Bergen herabsinkende Nebel etwa hundert Meter entfernt war. Dann stand er auf und untersuchte die Umgebung. Ich sah mich um, ohne dem Nebel den Rücken zu kehren. Rechts von mir war der Nebel, von den Bergen herabsteigend, bereits in die Ebene vorgedrungen. Links von mir war die Sicht noch klar; doch der Wind wehte offenbar von rechts und drängte den Nebel derart in die Ebene, daß er uns umrundete.
Don Juan flüsterte mir zu, ich solle gelassen sein und an der Stelle bleiben, wo ich mich befand, ohne die Augen zu schließen, und mich nicht umdrehen, bis ich völlig vom Nebel umgeben sei. Erst dann sei es möglich, den Abstieg zu beginnen. Er verbarg sich ein paar Meter hinter mir am Fuß einiger Felsen. Die Stille in diesen Bergen war großartig und gleichzeitig furchterregend. Die sanfte Brise, die den Nebel herantrieb, gab mir das Gefühl, als zischte der Nebel in meinen Ohren. Große Nebelschwaden kamen den Berg herab und wirkten wie feste Klumpen weißlicher Materie, die auf mich zurollten. Ich konnte den Nebel riechen. Es war eine eigenartige Mischung aus scharfen und wohlriechenden Düften. Und dann hüllte er mich ganz ein. Ich hatte den Eindruck, daß der Nebel auf meine Augenlider einwirkte. Sie wurden schwer, und ich wollte die Augen schließen. Ich fror. Meine Kehle juckte, und ich wollte husten, wagte es aber nicht. Ich hob des Kinn und reckte den Hals, um den Hustenreiz zu lindern, und während ich aufsah, meinte ich plötzlich, die Dicke der Nebelbank tatsächlich sehen zu können. Es war, als konnte mein Blick, indem er hindurch ging, ihre Dicke ausmachen. Meine Augen schlossen sich allmählich und ich konnte gegen den Wunsch, einzuschlafen, nicht mehr ankämpfen. Ich fühlte, daß ich jeden Moment zu Boden fallen würde. In diesem Augenblick sprang Don Juan auf, packte mich an den Armen und schüttelte mich. Der Schock reichte aus, um mich wieder zu klarem Bewußtsein zu bringen. Er flüsterte mir ins Ohr, ich müsse so schnell wie möglich den Berg hinablaufen. Er wollte hinter mir bleiben, weil er nicht von den Steinen erschlagen werden wollte, die ich vielleicht lostreten würde. Er sagte, ich sei der Führer, denn es sei mein Gefecht der Kraft, und ich müsse einen klaren Kopf behalten und selbstvergessen sein, um uns hier sicher hinaus zu geleiten. »Jetzt liegt es an dir«, sagte er mit lauter Stimme. »Wenn du nicht die Stimmung eines Kriegers hast, werden wir den Nebel vielleicht nie verlassen.«
Ich zögerte einen Augenblick. Ich war nicht sicher, ob ich den Weg von den Bergen hinab finden würde. »Lauf, Hase, lauf!« schrie Don Juan und stieß mich sacht bergab.
13. Die letzte Begegnung eines Kriegers
Sonntag, 28. Januar 1962
Gegen zehn Uhr morgens trat Don Juan ins Haus. Er war bei Anbruch der Dämmerung fortgegangen. Ich begrüßte ihn. Er kicherte, schüttelte mir mit clownesker Gebärde die Hand und begrüßte mich zeremoniell. »Wir werden einen kleinen Ausflug machen«, sagte er. »Du wirst uns zu einem ganz besonderen Platz fahren, um Kraft zu suchen.« Er entrollte zwei Tragnetze, tat in jedes von ihnen zwei mit Proviant gefüllte Kalebassen, band sie mit einem dünnen Seil zu und reichte mir ein Netz.
Wir fuhren gemächlich etwa sechshundert Kilometer nach Norden, verließen dann den Pan American Highway und schlugen eine nach Westen führende Sandstraße ein. Für Stunden schien mein Auto das einzige zu sein, das auf der Straße fuhr. Während wir so dahinrollten, stellte ich fest, daß ich durch die Windschutzscheibe nichts sehen konnte. Ich bemühte mich verzweifelt, die Umgebung zu erkennen, aber es war zu dunkel, und meine Windschutzscheibe
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