Reise nach Ixtlan.
noch lächelnd, fort. »Nicht zum Gebrauch, aber zur Erinnerung. Dieser Gipfel aber gehört dir zu deinem Gebrauch, für den Rest deines Lebens. Ich schenke ihn dir, denn du hast ihn selbst gefunden. Er ist dein. Nimm ihn an.«
Ich lachte, aber Don Juan schien es ganz ernst zu meinen. Abgesehen von seinem lustigen Lächeln, schien er wirklich zu glauben, daß er mir diesen Gipfel schenken könne. »Warum nicht?« fragte er, als habe er meine Gedanken gelesen. »Ich nehme ihn an«, sagte ich halb scherzend. Sein Lächeln verschwand. Er kniff die Augen zusammen und sah mich an.
»Jeder Fels und jeder Kiesel und jeder Busch auf diesem Berg, besonders hier auf dem Gipfel, steht unter deiner Obhut«, sagte er. »Jeder Wurm, der hier lebt, ist dein Freund. Du kannst sie benutzen und sie können dich benutzen.« Wir schwiegen einige Minuten. Meine Gedanken flossen ungewöhnlich träge. Irgendwie spürte ich, daß sein plötzlicher Stimmungsumschwung ein Vorzeichen für mich war, aber ich war nicht ängstlich oder besorgt. Ich wollte einfach nicht weitersprechen. Irgendwie erschienen die Worte mir ungenau und ihre Bedeutung schwer zu fassen. Nie hatte ich ähnlich über das Sprechen gedacht, und als ich mir über meine ungewöhnliche Stimmung klar wurde, begann ich schnell zu reden. »Aber was kann ich mit diesem Berg anfangen, Don Juan?«
»Verankere jede Einzelheit in deinem Gedächtnis. Dies ist der Platz, zu dem du beim Träumen kommen wirst. Dies ist der Platz, wo du Kräften begegnen wirst, wo dir eines Tages Geheimnisse offenbart werden.
Du jagst die Kraft, und dies ist dein Platz, an dem du deinen Vorrat speichern wirst. Du verstehst dies jetzt noch nicht. Betrachte es also für den Augenblick als Unsinn.« Wir kletterten vom Felsen hinab, und er führte mich zu einer kleinen, wannenförmigen Vertiefung an der Westflanke des Gipfels. Dort setzten wir uns hin und aßen.
Ohne Zweifel war mir hier auf dem Gipfel unbeschreiblich wohl. Das Essen, wie das Ruhen, gaben mir ein ungeahnt angenehmes Gefühl.
Das Licht der untergehenden Sonne hatte einen reichen, fast kupferfarbenen Glanz, und die ganze Umgebung erschien wie von einer goldenen Tönung überzogen. Ich gab mich völlig dem Anblick der Landschaft hin; ich hatte nicht einmal den Wunsch, zu denken.
Don Juan sprach zu mir mit einer Stimme, die beinah ein Flüstern war. Er sagte, ich solle jede Einzelheit der Umgebung beobachten, wie klein und scheinbar belanglos sie auch sein mochte; besonders aber die auffälligsten Merkmale der Landschaft in westlicher Richtung. Er sagte, ich solle die Sonne anschauen, ohne direkt meinen Blick darauf zu konzentrieren, bis sie hinter dem Horizont verschwunden sei. Die letzten Minuten des Tageslichts, bevor die Sonne eine niedrig hängende Wolkenoder Nebelbank berührte, waren von eindringlicher Pracht. Es war, als entflammte die Sonne die Erde, entzündete sie wie ein Freudenfeuer. Ich spürte ihre Röte im Gesicht.
»Steh auf!« rief Don Juan und riß mich hoch. Er sprang von mir fort und befahl mir in gebieterischem, doch drängendem Ton, dort, wo ich stand, auf der Stelle zu traben. Als ich auf der Stelle trabte, spürte ich, wie mein Körper von Wärme überflutet wurde. Es war eine kupferne Glut, ich spürte sie im Gaumen und in einem »Bogen« über meinen Augen. Es war, als brenne der obere Teil meines Kopfes in einem kühlen Feuer, das einen kupfernen Glanz ausstrahlte.
Etwas in meinem Innern veranlaßte mich, immer schneller zu traben, während die Sonne verschwand. Irgendwann hatte ich tatsächlich das Gefühl, so leicht zu sein, daß ich hätte davonfliegen können. Don Juan packte mich sehr fest am rechten Handgelenk. Die Empfindung, die der Druck seiner Hand hervorrief, gab mir meine Nüchternheit und meine Fassung wieder. Ich ließ mich auf den Boden fallen, und er setzte sich neben mich. Nach einigen Minuten der Ruhe stand er schweigend auf, klopfte mir auf die Schulter und bedeutete mir, ihm zu folgen. Wir kletterten wieder zu der Zinne aus Eruptivgestein zurück, wo wir vorhin gesessen hatten. Der Felsen schützte uns vor dem kalten Wind. Don Juan brach das Schweigen. »Es war ein gutes Omen«, sagte er. »Wie seltsam! Es geschah am Ende des Tages. Du und ich, wir sind so verschieden. Du bist eher ein Geschöpf der Nacht. Ich bin mehr für den jungen Glanz des Morgens. Besser gesagt, der Glanz der Morgensonne sucht mich, aber vor dir schreckt er zurück. Die sterbende Sonne dagegen überflutete dich. Ihre
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