Reise nach Ixtlan.
worauf du hinaus willst.«
»Die Kraft jagen, das ist ein eigenartiger Vorgang,« sagte er. »Zuerst muß es eine Idee sein, dann muß es Schritt um Schritt vorbereitet werden, und dann - flip! -passiert es.«
»Wie passiert es?«
Don Juan stand auf. Er streckte die Arme und krümmte den Rücken wie eine Katze. Wie immer ließen seine Gelenke ein mehrmaliges Knacken hören. »Laß uns gehen«, sagte er. »Wir haben einen langen Weg vor uns.«
»Aber da ist so vieles, was ich dich fragen möchte.«
»Wir gehen zu einem Ort der Kraft«, sagte er und trat ins Haus. »Warum wartest du nicht mit deinen Fragen, bis wir dort sind? Dann werden wir Gelegenheit haben, zu sprechen.« Ich glaubte, wir würden mit dem Auto fahren, daher stand ich auf und ging zu meinem Wagen, aber Don Juan kam aus dem Haus und sagte, ich solle mein Netz mit den Kalebassen nehmen. Er erwartete mich am Rande des Wüsten-Chaparrals hinter seinem Haus. »Wir müssen uns beeilen«, sagte er.
Gegen drei Uhr nachmittags erreichten wir die niedrigen Hänge der Sierra Madre. Es war ein warmer Tag, aber am späten Nachmittag wurde der Wind kalt. Don Juan setzte sich auf einen Stein und bedeutete mir, es ihm gleichzutun. »Was werden wir diesmal hier tun, Don Juan?«
»Du weißt ganz genau, daß wir hier sind, um Kraft zu jagen.«
»Das weiß ich. Aber was werden wir hier im einzelnen tun?«
»Wie du weißt, habe ich nicht die leiseste Ahnung.«
»Meinst du damit, daß du nie einem Plan folgst?«
»Die Kraft jagen, das ist eine sehr seltsame Sache«, sagte er. »Es ist unmöglich, im voraus Pläne zu machen. Das ist ja das Aufregende daran. Ein Krieger geht jedoch so vor, als hätte er einen Plan, denn er vertraut seiner persönlichen Kraft. Er weiß mit Sicherheit, daß dies ihn dazu führen wird, in der angemessensten Weise zu handeln.«
Ich wies darauf hin, daß das, was er sagte, irgendwie widersprüchlich sei. Wenn ein Krieger bereits persönliche Kraft hatte, warum jagte er sie dann?
Don Juan zog die Augenbrauen hoch und machte eine Gebärde gespielten Widerwillens.
»Du bist es, der nach persönlicher Kraft jagt«, sagte er. »Und ich bin der Krieger, der sie bereits hat. Du fragtest mich, ob ich einen Plan hätte, und ich sagte, daß ich darauf vertraue, daß meine persönliche Kraft mich leiten wird und daß ich keinen Plan brauche.«
Wir schwiegen einen Moment und gingen dann weiter. Die Hänge waren sehr steil, und es war für mich sehr schwierig und höchst ermüdend, sie zu ersteigen. Don Juan hingegen schien über unbegrenzte Ausdauer zu verfügen. Dabei beeilte er sich keineswegs. Sein Gang war stetig und unermüdlich. Ich bemerkte, daß er nicht einmal schwitzte, auch nicht, nachdem wir eine gewaltige, beinah senkrechte Bergflanke erklettert hatten. Als ich oben anlangte, war Don Juan bereits dort und erwartete mich. Als ich mich neben ihn setzte, glaubte ich, mein Herz würde mir aus dem Leib springen. Ich legte mich auf den Rücken, und der Schweiß troff mir buchstäblich von den Brauen.
Don Juan lachte laut auf und rollte mich eine Weile hin und her. Diese Bewegung half mir, wieder zu Atem zu kommen. Ich sagte ihm, welchen Respekt mir seine körperliche Leistungsfähigkeit einflößte.
»Ich versuche schon die ganze Zeit, dich darauf aufmerksam zu machen«, sagte er. »Du bist überhaupt nicht alt, Don Juan!«
»Natürlich nicht. Ich versuche ja, es dich merken zu lassen.«
»Wie machst du das nur?«
»Ich tue überhaupt nichts. Mein Körper fühlt sich gut, das ist alles. Ich gehe sehr gut mit mir um, daher habe ich keinen Grund, mich müde oder unwohl zu fühlen. Das Geheimnis liegt nicht darin, was man tut, sondern darin, was man nicht tut.« Ich wartete auf eine Erklärung. Anscheinend war er sich bewußt, daß ich ihn nicht verstand. Er lächelte wissend und stand auf.
»Dies ist ein Ort der Kraft«, sagte er. »Finde hier auf dem Gipfel einen Platz für uns zum Übernachten.«
Ich protestierte. Ich wollte, daß er mir erklärte, was ich mit meinem Körper nicht tun solle. Er machte eine gebieterische Geste. »Laß den Quatsch«, sagte er sanft. »Handle diesmal ganz einfach - zur Abwechslung. Es kommt nicht darauf an, wie lange du brauchst, um einen geeigneten Rastplatz zu finden. Vielleicht brauchst du die ganze Nacht dazu. Es ist auch nicht wichtig, ob du; den Platz findest. Wichtig ist nur, daß du überhaupt versuchst, ihn zu finden.«
Ich steckte meinen Schreibblock fort und stand auf. Don Juan ermahnte
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