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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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mich - wie schon zahllose Male, wenn er mich aufgefordert hatte, einen Rastplatz zu finden -ich solle schauen, ohne den Blick auf eine bestimmte Stelle zu richten, und dabei die Augen zusammenkneifen, bis mir die Sicht verschwimmen würde. Ich ging los, wobei ich den Blick mit halbgeschlossenen Augen über den Boden gleiten ließ. Don Juan folgte ein paar Meter rechts von mir, mit einigen Schritten Abstand. Zuerst umkreiste ich den äußeren Rand der Bergkuppe. Meine Absicht war, mich spiralförmig zum Mittelpunkt vorzuarbeiten. Aber sobald ich den Gipfel umrundet hatte, hieß Don Juan mich stehenbleiben.
    Er sagte, ich lasse mich von meinem Hang zur Routine leiten. Sarkastisch fügte er hinzu, ich suche die ganze Gegend zwar systematisch, aber so langsam ab, daß ich es nicht schaffen werde, den richtigen Platz zu finden. Er selbst wisse, wo er sei, meinte er, daher sei es mir nicht möglich, zu improvisieren. »Was soll ich statt dessen tun?« fragte ich. Don Juan hieß mich niedersitzen. Dann pflückte er von mehreren Büschen jeweils ein einziges Blatt und gab sie mir. Er befahl mir, mich auf den Rücken zu legen, den Gürtel zu lockern und die Blätter in der Nabelgegend auf die Haut zu legen. Er überwachte meine Bewegungen und wies mich an, die Blätter mit beiden Händen gegen den Körper zu drücken. Dann befahl er mir, die Augen zu schließen, und meinte warnend, wenn ich einen vollen Erfolg wünschte, so dürfe ich weder die Blätter loslassen, noch die Augen öffnen, noch versuchen, mich aufzusetzen, wenn er meinen Körper in eine Position der Kraft bringen würde. Er packte mich unter der rechten Achsel und schleuderte mich herum. Ich hatte den unbezwinglichen Wunsch, mich aus halbgeöffneten Augen umzusehen, aber Don Juan legte mir die Hand auf die Augen. Er verlangte, ich solle mich nur auf das Wärmegefühl konzentrieren, das von den Blättern ausgehen werde. Einen Augenblick lag ich bewegungslos da, und dann spürte ich, wie den Blättern eine eigenartige Wärme entströmte. Zuerst spürte ich sie an den Handflächen, dann griff die Wärme auf meinen Unterleib über und schließlich überflutete sie meinen ganzen Körper. Binnen weniger Minuten brannten meine Füße so heiß, wie ich es bislang nur bei hohem Fieber erlebt hatte. Ich berichtete Don Juan von diesem unangenehmen Gefühl und äußerte den Wunsch, meine Schuhe auszuziehen. Er sagte, er wolle mir behilflich sein, aufzustehen, ich dürfe jedoch die Augen nicht öffnen, ehe er es mir sagen würde, und ich müsse weiterhin die Blätter gegen meinen Bauch drücken, bis ich den richtigen Rastplatz gefunden hätte.
    Als ich aufrecht stand, flüsterte er mir ins Ohr, ich solle die Augen öffnen und einfach drauflos gehen und mich durch die Kraft der Blätter ziehen und leiten lassen. Ich ging ziellos dahin. Die Hitze in meinem Körper war unangenehm. Ich glaubte hohes Fieber zu haben und gab mir alle Mühe zu begreifen, wodurch Don Juan dies bewirkt hatte. Don Juan ging hinter mir her. Plötzlich stieß er einen Schrei aus, der mich erstarren ließ. Lachend erklärte er, daß plötzlicher Lärm die unfreundlichen Geister vertreibe. Ich kniff die Augen zusammen und ging etwa eine halbe Stunde lang hin und her. Währenddessen ging die unangenehme Hitze meines Körpers in eine wohlige Wärme über. Während ich den Gipfel abschritt, erlebte ich ein Gefühl der Leichtigkeit. Aber ich war enttäuscht. Irgendwie hatte ich erwartet, visuelle Phänomene zu entdecken, doch innerhalb meines Gesichtsfeldes ergaben sich keinerlei Veränderungen, weder ungewöhnliche Farben, noch ein Leuchten, noch dunkle Silhouetten.
    Schließlich war ich es leid, die Augen zusammenzukneifen, und öffnete sie. Ich stand vor einem schmalen Sims aus Sandstein, einer der wenigen Stellen auf der Bergkuppe, wo der nackte Fels hervortrat. Sonst war hier nur Sand mit vereinzelten kleinen Büschen. Offenbar war die Vegetation irgendwann einmal verbrannt, und die neuen Schößlinge waren noch nicht ganz nachgewachsen. Aus irgendeinem mir unklaren Grund fand ich den Sandsteinsims schön. Ich blieb lange davor stehen. Und dann setzte ich mich einfach darauf.
    »Gut! Gut!« sagte Don Juan und klopfte mir auf den Rücken. Dann befahl er mir, die Blätter vorsichtig unter der Kleidung hervorzuholen und sie auf den Fels zu legen. Sobald ich die Blätter von der Haut entfernt hatte, begann ich abzukühlen. Ich fühlte meinen Puls. Er schien normal zu sein. Don Juan lachte und nannte mich

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