Reise nach Ixtlan.
ganze Zeit begreiflich zu machen. Aber ich weiß, daß du es nicht verstehst, nicht etwa, weil du nicht willst, sondern weil du sehr wenig persönliche Kraft hast.«
»Was soll ich denn tun, Don Juan?«
»Nichts. Mach weiter, so wie du bist. Die Kraft wird dir einen Weg weisen.« Er stand auf und drehte sich einmal im Kreis, wobei er auf die Umgebung starrte. Sein Körper und seine Augen bewegten sich gleichzeitig. Der Gesamteindruck war der eines hieratischen mechanischen Spielzeugs, das in einer exakten, gleichförmigen Bewegung einen geschlossenen Kreis beschreibt. Ich sah ihn mit offenem Mund an. Als er meine Überraschung erkannte, verbarg er ein Lächeln. »Heute wirst du in der Dunkelheit des Tages Kraft jagen«, sagte er, und setzte sich. »Wie bitte?«
»Heute wirst du dich in diese unbekannten Berge wagen. In der Dunkelheit sind sie keine Berge.«
»Was sind sie denn?«
»Sie sind etwas anderes. Etwas für dich Unvorstellbares, da du ihre Existenz nie wahrgenommen hast.«
»Was meinst du damit, Don Juan? Du erschreckst mich immer mit deinen gespenstischen Reden.« Er lachte und trat mir sacht gegen die Wade. »Die Welt ist ein Geheimnis«, sagte er. »Und sie ist ganz anders, als du sie dir ausmalst.«
Er schien einen Augenblick nachzudenken. Sein Kopf wippte in einem rhythmischen Beben auf und ab, dann lächelte er und fuhr fort: »Nun, sie ist zwar auch so, wie du sie dir ausmalst, aber das ist nicht alles, was die Welt ausmacht. Sie ist viel mehr. Das weißt du schon seit langem, und vielleicht wirst du heute ein weiteres Stück hinzugewinnen.«
Sein Ton jagte mir ein Frösteln über den Körper. »Was für einen Plan hast du?« fragte ich. »Ich habe überhaupt keine Pläne. Alles ist durch die gleiche Kraft beschlossen, die dir erlaubte, diesen Platz zu finden.« Don Juan stand auf und wies in die Ferne. Ich nahm an, er wollte, daß ich auch aufstand und schaute. Ich versuchte aufzuspringen, aber bevor ich noch richtig stand, stieß Don Juan mich energisch zurück.
»Ich habe dich nicht geheißen, es mir nachzutun«, sagte er in strengem Ton. Dann fuhr er mit milderer Stimme fort: »Du wirst es heute nacht schwer haben, und du wirst alle persönliche Kraft benötigen, die du aufbringen kannst. Bleib wo du bist und schone dich für später.«
Er erklärte, daß er nicht auf etwas Bestimmtes hinweise, sondern sich nur vergewissern wolle, daß es dort draußen gewisse Dinge gebe. Er versicherte mir, es sei alles in Ordnung, ich solle ruhig sitzen bleiben und mich beschäftigen, denn ich hätte noch viel Zeit zum Schreiben, bis sich völlige Dunkelheit über das Land legte. Sein Lächeln war ansteckend und tröstlich. »Aber was werden wir dann unternehmen, Don Juan?« Mit einer übertriebenen Gebärde des Unglaubens schüttelte er den Kopf.
»Schreib!« befahl er und wandte mir den Rücken zu. Mir blieb nichts anderes übrig. Ich arbeitete an meinen Notizen, bis es zu dunkel war, um zu schreiben. Während ich arbeitete, verharrte Don Juan die ganze Zeit in der gleichen Haltung. Er schien gänzlich davon in Anspruch genommen zu sein, nach Westen, in die Ferne zu starren. Aber sobald ich aufhörte, drehte er sich zu mir um und sagte in scherzhaftem Ton, es gebe keine andere Möglichkeit, mich zum Schweigen zu bringen, als mir etwas zu essen zu geben, mich schreiben zu lassen oder mich in Schlaf zu versetzen.
Er nahm aus seinem Rucksack ein kleines Bündel und öffnete es feierlich. Es enthielt getrocknete Fleischstücke. Er reichte mir ein Stück, dann nahm er selbst eins und begann daran zu kauen. Beiläufig informierte er mich, daß es sich dabei um Kraftnahrung handelte, die wir für diese Gelegenheit beide benötigten. Ich war zu hungrig, um mir darüber Gedanken zu machen, ob das Trockenfleisch vielleicht eine psychotrope Substanz enthielt. Wir aßen in völligem Schweigen, bis vom Fleisch nichts mehr übrig war, und inzwischen war es dunkel geworden. Don Juan stand auf und streckte die Arme und den Rücken. Er schlug mir vor, es ihm gleichzutun. Er sagte, es sei eine gute Übung, nach dem Schlafen, Sitzen oder Gehen den ganzen Körper zu strecken.
Ich befolgte seinen Rat, und ein paar Blätter, die ich unter dem Hemd verwahrt hatte, glitten durch meine Hosenbeine hinab. Ich war mir nicht sicher, ob ich versuchen sollte, sie aufzusammeln, doch er meinte, sie seien nicht länger vonnöten, ich könne sie ruhig auf dem Boden liegen lassen.
Dann trat Don Juan ganz nah an mich heran und
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