Reise til helvete
Verband, der vom Duschen feucht geworden war. Er ging vorsichtig vor, als wollte er sich selbst einen furchtbaren Anblick ersparen. Je mehr er von der Binde löste, desto roséfarbener wurde der Stoff. Die Verletzungen waren genäht, dennoch war Wundwasser aus den Schnitten getreten. Als Erik den Verband komplett entfernt hatte, sah er deutlich, wo sich die Spiegelscherbe in Dylans Fleisch gebohrt und ihren weiteren Weg gefunden hatte. Die Nähte glänzten rot und waren geschwollen.
„Das sieht übel aus …“, entwich es Erik leise. Dylan stöhnte gequält.
„Was ist mit dem Tattoo? Kann man es noch erkennen?“ Er wagte nicht, hinzusehen.
„Ja, es ist noch da …“ Erik zögerte mit folgender Frage. „Du wolltest es rausschneiden?“
Dylan drehte den Kopf zur Seite und legte die freie Hand auf seine Augen. Er konnte nicht antworten. Ein neuer Schock wollte ihn überrollen.
Doch dann kam der Arzt – ein kleiner Mann mit Brille und asiatischen Gesichtszügen. Er lockerte die bedrückende Stimmung ein wenig.
„Wie geht es Ihnen?“, fragte er, während er die Wunde musterte.
Dylan atmete angespannt aus. Erik bemerkte, wie er litt. Dennoch schritt er nicht ein, als Dylan eine eindeutige Lüge aussprach:
„Mir geht es gut, danke.“
Der Arzt reinigte die Naht und legte einen neuen Verband an. „Ich gebe Ihnen Antibiotika mit. Und Sie sollten weiterhin zum Verbandswechsel kommen und den Arm die nächsten Tage schonen.“
Dylan nickte. Als der Arzt seine Arbeit beendet hatte, setzte er sich auf. Doch das Gespräch führten sie fort.
„Soll ich unseren Seelsorger informieren?“, hakte der Mediziner nach. „Wir können einen Facharzt informieren, den Sie im nächsten Hafen konsultieren können.“
Dylan winkte ab. „Das wird nicht nötig sein.“
Der Arzt gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. Er überlegte sichtbar und blickte Dylan sorgfältig an.
„Sie wirken emotional nicht stabil. Wenn Sie weiterhin suizidale Absichten haben …“
„Es war kein Suizidversuch!“, unterbrach Dylan sofort. Schützend zog er den Arm an seinen Körper.
„Es ist wirklich in Ordnung“, mischte sich Erik nun ein. Er umfasste Dylans Schulter und unterband damit einen weiteren Wutausbruch seines Freundes. „Wir kennen diese Reaktionen von ihm. Es ist nicht das erste Mal, dass Derartiges passiert.“
Die Augen des Arztes weiteten sich. Ehe er etwas dazu sagen konnte, ergriff Dylan wieder das Wort:
„Ich komme klar. Sie müssen sich keine Gedanken machen.“
Kurz darauf verließen sie die Krankenstation. Dylan steckte das Antibiotikum ein. Weitere Tabletten zu nehmen war kein Problem für ihn. Das ging sogar leichter als angenommen. Wenn er sich Medikamente in den Mund stopfte, sagte niemand etwas. Ein Zeichen dafür, dass es nötig war. Und durchaus besser, als sich das Hirn mit Alkohol zu benebeln.
„Hat Thor eigentlich noch etwas gesagt, wegen der Sache? Wegen uns?“
Erik geriet ins Grübeln, als sie den Flur zurückgingen.
Dylan deutete ein Nicken an. „Er meinte, wenn wir nochmals Lust aufeinander haben, sollen wir es ihm vorher sagen. Er will dann zusehen.“
„Was? Echt?“ Erik staunte sichtlich. Doch Dylan bremste seine Begeisterung.
„Danach würde er uns persönlich zeigen, was er von der Sache hält.“
„Ach ja?“ Eriks Augen funkelten neugierig. Dennoch war sich Dylan sicher.
„Das war eine Drohung. Die sollten wir ernst nehmen.“
*
Zurück in der Kabine stellte Dylan die Dose mit dem Antibiotikum neben die Tablettenschachtel. Noch immer dachte er an das Gespräch mit dem Mediziner zurück.
„Der Arzt hielt mich für unzurechnungsfähig.“ Er schüttelte den Kopf. Thor sah ihn nur still an.
„So what?“, giftete Dylan daraufhin. „Was siehst du mich so an? Glaubst du auch, dass ich mich nicht mehr unter Kontrolle habe?“
„Du beweist es uns allzu oft.“
„Na super!“ Dylans Hand prallte gegen den Schrank – mit Absicht. Da es die Hand des verletzten Armes war, drang anschließend ein zischender Laut aus seinem Mund.
„Siehst du – geht schon wieder los“, stellte Thor fest. „Du bist aggressiv, reizbar, unkontrolliert, und wenn du nicht gerade um dich schlägst, erfasst dich tiefe Melancholie.“
„Kann dir ja wohl egal sein!“
Thor atmete tief durch. „Hör zu, Perk!“, begann er. „Ich kenne mich aus mit Menschen, die es im Leben nicht leicht haben. Magnus hatte schwere Depressionen. Er hat damals keine Medikamente genommen, keine
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