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Reise zu Lena

Reise zu Lena

Titel: Reise zu Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Neven DuMont
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so, Albert. Und Du musst das erfahren. Ich habe mich verstellt, um Deine Tochter zu sein. Aber ich bin eine andere.«
    Der alte Mann war aufgestanden, er ging unsicheren Schritts durchs Haus, stieß da und dort an, als ob er sein Gleichgewicht verloren hätte, stand im Garten, obwohl es leise zu regnen begonnen hatte.
    Lena holte ihn zurück ins Haus, nahm ihn bei der Hand, ohne Worte. Ihrer Tochter sagte sie:
    »Du hast ihn verschreckt, er versteht Dich nicht.«
    Sie antwortete:
    »Du hast es so gewollt, ich soll sagen, was war. Ich sollte die Wahrheit herausfinden, meine Wahrheit.«
    »So habe ich es nicht gemeint. Es geht mir um Dich, Du sollst Dich selbst finden. Das habe ich zu Dir gesagt, als Du mich damals von einem auf den anderen Tag verlassen hast, um nach Afrika zu gehen. Das war alles, was ich gesagt habe.«
    Christie ging unruhig auf der schmalen Terrasse vor dem Haus hin und her:
    »Das war offenbar schon zu viel für ihn, er will es nicht hören.«
    Später als Lena in der Küche hantierte, trat Christie in sein Zimmer.
    Albert lag auf dem Bett und summte vor sich hin, während er mit seinen Fingern, die er ins Licht hielt, spielte:
    »Nach Glories Tod war alles in meinem Gedächtnis, was sie betraf, wie gelöscht. Ich will Dich nicht enttäuschen, aber Du gingst in meinen Augen ausschließlich sie an, nie habe ich in Dir eine Tochter gesehen.«
    Seine Stimmte senkte sich, wurde kaum vernehmbar:
    »Ich habe Dich mit Glories Tod nicht aus meinem Leben verstoßen.
    Ich habe Dich immer bei uns mit Freude gesehen, weil Du für uns eine so große Hilfe warst. Aber dann, am Ende: Ja, ich machte Dich verantwortlich, mitverantwortlich.«
    Er hörte zunächst das Geräusch nicht. Erst als er sich nach ihr umwandte, sah er, dass sie weinte. Albert setzte sich auf und schaute sie weiter an, erschrocken:
    »Es tut mir leid. Ich wusste nicht wohin mit dem Schmerz, diesem unsäglichen Schmerz. Mit Ann reden?! Jedes Wort verdorrte im Keim, bevor es gesprochen wurde. Wir gingen wie Fremde aneinander vorbei, wie ohnmächtig. Ich suchte einen Schuldigen. Irgendwo musste ich doch meinen Schmerz, der mehr und mehr zum Zorn wurde, festmachen. So sind wir ja wohl: Einen Schuldigen finden! Dann, denken wir, wird Gerechtigkeit geübt. Welcher Blödsinn!«
    Nach einer Weile fügte er hinzu:
    »Es tut mir leid.«
    Christie fasste seine Rechte:
    »Sie war Dein Liebstes.«
    »Sie war mein Wunder! Ich habe mich immer wieder gefragt, wie kommen wir an so eine Tochter? Ihre Schönheit, ihr Liebreiz, ihr Wesen, kaum von dieser Welt. Haben wir es verdient, ein solches Kind zu haben?«
    Albert setzte sich hoch, lachte laut auf:
    »Mein Gott, was reden wir! Wir spuken herum wie Gespenster, als ob wir Geister wären. Aber ich habe genug Gespenster gespielt.
    Schluss damit! Zum Teufel mit dem ganzen Humbug.«
    Christie stand still am Fenster und sah nachdenklich hinaus:
    »Es hat zu regnen aufgehört. Am Nachmittag bekommen wir vielleicht Sonnenschein.«
    »Dann gehen wir in den Wald. Wo er am dunkelsten ist, hängen wir die Gespenster auf. Der Sack, den wir mit uns herumtragen, ist übervoll. Lauter verkrüppelte kleine Menschlein sind wir, die drohen unter der Last zusammenzubrechen. Weg damit! Weg! Willst Du mir dabei helfen?«
    Sie zog an seinen Händen bis er dicht vor ihr stand. Christie nahm ihn in ihre Arme, hielt ihn fest mit ihrem Körper, sie fühlte, dass sie lange nicht mehr einen Mann in ihren Armen gehabt hatte:
    »Was ist mit uns nur los? Ich glaube, mir wird schwindlig . . .«
    »Warum soll es Dir, Christie, anders als mir ergehen! Du sagst schwindlig? Vom Schwindel des Lebens?«
    Von der Haustür waren es nur wenige Schritte zum Gartentor. Der von Kletterpflanzen überwucherte Holzzaun ging Albert nicht einmal bis zu den Hüften. Sie überquerten die staubige Landstraße, die aus dem Dorf hinausführte, schritten den schmalen Pfad an Brombeerhecken entlang. Es waren vielleicht zwei-, dreihundert Schritte bis zu den hohen, dunklen Tannen, rechts und links von ihnen wogte ein Meer von bunten Blumen im hohen Gras, Löwenzahn, Margeriten, roter Mohn. Christie war vorausgegangen, dahinter Lena, in ihrer Mitte, so als ob sie ihn beschützen müssten, Albert. Es war eine schweigsame Gruppe, die sich dort behutsam dem Wald näherte, man hätte vermuten können, dass diese verschworene Gemeinschaft etwas im Schilde führte. Doch Albert suchte nur das Dunkel des Tannenwaldes, um dort den Sack mit den Gespenstern an einem

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