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Reise zu Lena

Reise zu Lena

Titel: Reise zu Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Neven DuMont
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Arbeit eine Frage hatten. In dem Fall genügte aber schon ein Blick zur anderen, um uns zu verständigen. An Glories Seite gelang etwas, was Vater nie bei mir erreicht hatte: Ich steigerte meine schulischen Leistungen, so sehr und das fast wie im Spiel, dass ich Klassenbeste wurde, von den einen bewundert, von den anderen beneidet.
    Mein Leben hätte glücklich werden können. Doch da trat etwas ein, was alles auf den Kopf stellen sollte. Mutter war schon seit Tagen irgendwie verändert, sie sprach kaum noch mit mir, und ihre Augen sahen verweint aus. Auf meine Fragen reagierte sie nicht. Als ich dann nach der Schule heimkehrte, nahm sie mich an den Händen, zog mich zum Tisch, wo ich Platz nehmen musste. Sorgenvoll blickte sie mir in die Augen:
    >Christie, ich kann nicht länger schweigen: Ich habe einen Brief bekommen, schon vor Wochen. Und nun werde ich bedrängt, bedrängt von dieser . . . dieser Persona
    Sie sagte abfällig: Person. Ihre Wortwahl erschien mir nicht nur überraschend, sondern zutiefst befremdlich, wenn nicht gar bedrohlich. Ihre ernste Miene machte mir Angst:
    >Wer kann Dich bedrängen, Mutter! Du hast doch nichts Unrechtes getan. Wenn Du Hilfe brauchst, ich stehe Dir immer zur Seite. In der Schule lernt man ganz gut, wie man jemanden, der einem im Wege steht, los wird.<
    Mutter atmete heftig:
    >Es ist nicht so einfach, meine Liebe, wie Du denkst. Die Dinge sind verworren, sie liegen tiefer.<
    Ich drang weiter in sie:
    >Was liegt tiefer, was ist verworren? Mutter, ich glaube, Du siehst Gespenster.<
    >Es wäre schön, Du hättest Recht, Christie.< Sie seufzte zum wiederholten Mal, und ich fürchtete, sie würde in Tränen ausbrechen.
    >So sag endlich, was ist passiert, wer bedrängt Dich?<
    Sie sah mich lange bedeutungsvoll an, so wie nur sie es mit ihren dunklen, weit geöffneten Augen vermochte: >Ich tue mich so schwer, mein Kleines. Es geht ja in erster Linie um Dich. Ich habe Nächte und Nächte mit mir gerungen. Am Anfang wollte ich die Sache mit dem Brief, ja die ganze Geschichte, für mich behalten. Dich gar nicht damit behelligen, Dich da nicht mit hineinziehen, Dir Deinen Frieden lassen! Mein Gott, Du hast doch ein Anrecht darauf, Dein junges Leben, das eben erst angefangen hat, zu leben. So unbekümmert wie Glorie und die anderen Freundinnen. Ich möchte doch nur, dass Du es gut hast, das ist alles was ich möchte.< Meine Hände lagen auf den ihren, meine langen, ausgestreckten Finger auf ihren Fingern:
    >Jetzt aber heraus mit der Sprache! Was ist mit dem Brief?<
    Sie schlug ihre Augen nieder, holte aus der Tasche ihrer Schürze ein zerknittertes Papierknäuel hervor, das sie mir wortlos über den Tisch schob. In diesem Augenblick fing Mutter an, hemmungslos zu weinen. Die Tränen rannen wie kleine Bäche über ihre blassen Wangen. Dazu stammelte sie:
    >Du musst wissen, mein Kleines, ich habe es immer nur gut mit Dir gemeint. Ich habe immer das Beste für Dich gewollt, nichts anderes.<
    Ich war aufgesprungen, umarmte Mutter, obwohl mich ihre Erregung längst angesteckt hatte. Sie stieß noch aus, bevor sie aus dem Raum huschte:
    >Da, lies, lies! Aber sei mir nicht bös! Verzeih mir . . .<
    Das Briefpapier war durch die hundertfache Lektüre von Mutter stark mitgenommen, die ausschweifende Schrift ließ darauf schließen, dass der Brief von einer Frau abgefasst war. Drei- oder viermal musste ich das Schreiben studieren, bevor ich einigermaßen den Inhalt verstand. Mein Herz pochte so fest, so, als ob man mir gegen meine Brust, den Hals und die Stirn schlagen würde. Ich stolperte zu Mutter in ihr Schlafzimmer hinüber. Sie lag reglos auf dem Bett, die Vorhänge zugezogen, und weinte. Still, lautlos, wie ein gejagtes Tier, unfähig sich zu wehren.
    >Ist das wahr, was diese Frau, diese Person schreibt, dass Vater nicht mein Vater war und ich nicht Dein Kind bin? Sondern diese Person, die ich gar nicht kenne, von der ich nie gehört habe, mich geboren hat. Die jetzt behauptet, dass sie nun nach all der Zeit mich sehen will, mich in ihren Armen halten muss, weil sie sonst vor Kummer umkommen würde?! Ist das alles etwa wahr?!<
    Nun heulte auch ich los, hemmungslos, verstört, wütend. Mutter, die zu weinen aufgehört hatte, neigte ihren Kopf zu mir, wortlos, mit einem Blick, der alles Leid der Welt in sich zu tragen schien, ein Blick, der meine Wut nur noch weiter steigerte.
    >Dann bin ich also etwas wie eine Ware, die man nach Belieben hin- und herschiebt! Und jetzt ist offenbar mal diese

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