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Reise zum Rand des Universums (German Edition)

Reise zum Rand des Universums (German Edition)

Titel: Reise zum Rand des Universums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Widmer
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Häuser an einem steilen Strand, dessen Kiesel und Uferfelsen so glitschig waren, dass ich kaum mehr aus dem Wasser kam. Ein andermal saß ich im einzigen Kafeneion am Hafen, trank einen Wein oder auch zwei und diskutierte bis nach Mitternacht mit einem jungen Mann, dessen ganzer nichtgriechischer Wortschatz das Wort Citroën war. Ich sagte es, er sagte es auch, wir freuten uns, sagten wieder und noch einmal Citroën und ja ja und gut gut, Citroën, ohh!, ahh!, und er dachte vielleicht, dass ich bei Citroën arbeitete, oder auch nur, dass der Citroën ein ganz tolles Auto war. (Als ich in jener Nacht nach Hause kam, schliefen meine Zimmernachbarn, alle drei, die Italienerin leise schnarchelnd.) – Der Sohn des Wirts war nun zuweilen auch dabei. Er konnte dolmetschen (seine kleine Schwester blieb verschwunden; vielleicht war sie wieder in den Klauen ihrer Nonnen) und machte mich mit seinen Kumpels bekannt. Ich ging mit ihnen – auch ein paar Frauen waren dabei, Mädchen eher noch – zum Strand, wir Männer badeten in Unterhosen, die Frauen in ihren Gewändern, die dann an ihnen klebten, als seien sie eine nasse Haut. Nach einem Bad, das dann das letzte wurde, gingen wir, die ganze Bande, albernd und lachend ins Dorf zurück, klatschnass alle immer noch, und neben mir ging eine junge Frau mit einem runden Gesicht, nicht hübsch, nicht wüst. Nasse Haarsträhnen. Plötzlich fasste sie meine Hand. Ich sah sie an, aber sie richtete ihre Augen vor sich auf den Boden. Sie drückte meine Hand mit aller Kraft, und ich hielt ihre eine Sekunde lang in meiner, verblüfft, drückte sie auch und ließ sie dann los. Hinter mir verstummte der Sohn des Wirts, der bis dahin mit einem Freund Witze gerissen hatte. Ich sah ihn an, und er schaute zurück, ohne zu lächeln. Bis ins Dorf sagte niemand mehr ein Wort. Die Frau mit dem runden Gesicht verschwand in einer Gasse, ohne mich noch einmal anzusehen. – Irgendwie war jäh alles anders. Eine Art Gefahr lag in der Luft. Der Sohn des Wirts sah mich prüfend an, sogar der Wirt, als wisse er Bescheid. Just am nächsten Morgen kam die Despina in den Hafen, und also packte ich, während sie schon näher tutete, in einem jähen Entschluss meine Siebensachen, bezahlte und verabschiedete mich. (Eigentlich hatte ich noch so was wie eine Woche bleiben wollen.) Der Wirt lachte nun wieder, das Pariser Paar gab mir die Hand, und die Italienerin küsste mich sogar. Der Sohn des Wirts allerdings begleitete mich zum Hafen, das schon, sagte aber kein Wort. Die Burschen der Badebande waren alle auch da, aber für einen Abschied blieb nicht viel Zeit; die Despina war drauf und dran abzulegen. Ich ging an Bord und stellte mich an die Reling. Jetzt, plötzlich, stand auch die Frau am Quai, abseits. Sie war die Einzige, die nicht winkte, als das Schiff sich von der Mauer löste. Aber auch nachdem die übrige Gruppe, zu fernen Schatten geworden, sich längst verkrümelt hatte, stand sie, ein bewegungsloser Punkt, immer noch am Quai. Ich hob eine Hand. Naxos wurde klein und kleiner und verschwand endlich im Meer. (Ich stand jetzt im Heck.) Paros, Mykonos, Piräus: das Ganze retour. Die Maschine der Globe Air hatte immer noch die fünf Stunden Verspätung, die sie seit dem ersten Tag der Saison mit sich schleppte. Ich flog nach Basel zurück und fuhr noch in derselben Nacht nach Paris, wo ich mich allmählich daran machte, meine Zelte abzubrechen. Nach ein paar Tagen erhielt ich einen Brief. Die Frau schrieb mir, mon éternel amour, mon fiancé, dass sie auf mich warten würde ihr ganzes Leben lang, mon adoré maître.
    ES hat etwas Pathetisches, zu spüren – das Schreiben von den frühen Tagen löst jetzt dieses Gefühl in mir aus –, dass ich, auch ich, das unerbittliche Gesetz der Menschen erfülle. Auch ich brach, wie jeder und jede, einst kraftvoll ins Leben auf, lebte es und heimse heute, da die Kräfte nachlassen, den einzigen Gewinn ein, den das Altwerden dir bieten kann: zu fühlen, dass du das Leben tatsächlich gelebt hast. Nicht als Luftschloss, von einem Schimärenzimmer ins andere stolpernd, sondern so lustvoll wie möglich und so schmerzhaft wie nötig. Es ist nahezu vorbei, das Leben, aber es war und ist immer noch. Hier, konkret, jetzt. Ich war jung, ich bin alt. Die Erkenntnis, notwendig einem Gesetz unterworfen zu sein, das keine Ausnahmen kennt, schenkt mir in kostbaren Augenblicken ein Gefühl des Glücks. Ich auch, wie alle. Es kann ja sein, dass ich vom Leben einst die eine oder

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