Reise zum Rand des Universums (German Edition)
Atomwaffen nicht. Die Ermordung John F. Kennedys (1963) schlug dann auch wie eine Bombe ein. Er hatte ja, mit robuster Besonnenheit, Chruschtschow zum Abzug seiner Raketen aus Kuba bewogen. Steckten tatsächlich die gekränkten Russen dahinter? Fidel Castro? Die Mafia? Oder gar Lyndon B. Johnson, der Vizepräsident? Viele Verschwörungstheorien. Man sagt, dass jeder, der damals wahrnehmungsfähig war, heute noch wisse, wo er sich befand, als er die Nachricht hörte. Das stimmt. Ich ging über den Barfüßerplatz in Basel.
Jede Vermittlung zwischen den Großmächten schien unmöglich geworden zu sein. Der zuweilen durchaus durchlässige Vorhang von ehedem war eisern geworden. Der Antikommunismus wurde flächendeckend und nahm noch hysterischere Formen als in den Fünfzigerjahren an. In Deutschland wurden Kommunisten vom Verfassungsschutz überwacht. In der Schweiz war einer schon ein Kommunist, wenn er ein Konzert von David Oistrach besuchen wollte (das heißt, Oistrach durfte dann gar nicht auftreten, weil ein Russe, der Beethoven spielte, sowjetische Propaganda betrieb). In den Manövern der Schweizer Armee kam der Feind immer von Osten und war immer rot. Die Blauen, die für die sich verteidigenden Schweizer standen, gewannen immer .
Erst nach 1968 begann sich der Kalte Krieg zu entspannen. In Europa schneller als in den USA . Im Schutz der neuen innenpolitischen Erfahrungen konnten Willy Brandt und Egon Bahr darangehen, das Verhältnis zu den kommunistischen Staaten, die ihre Nachbarn waren und bei denen sie einiges gutzumachen hatten, zu entspannen. Der Kniefall von Warschau (1970) war eine Geste, die Mitte des Jahrzehnts noch undenkbar gewesen wäre und die Herzen vieler Polen und Deutscher berührte. Die USA , Henry Kissinger allen voran, beobachteten das deutsche Treiben misstrauisch; ließen Brandt und seine Regierung aber gewähren. Eine neue Zeit hatte begonnen.
Foto: © Isolde Ohlbaum
URS WIDMER, geboren 1938 in Basel, studierte Germanistik, Romanistik und Geschichte. Er arbeitete einige Jahre als Verlagslektor im Walter Verlag, Olten, und im Suhrkamp Verlag, Frankfurt. Mit anderen Lektoren rief er den ›Verlag der Autoren‹ ins Leben. Kurz nach der Gründung wurde er mit seinem Erstling Alois selbst zum Autor. Widmer lebt als Schriftsteller in Zürich. Zuletzt wurde er für sein umfangreiches Werk mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis 2007 der Stadt Bad Homburg ausgezeichnet.
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