Reisefieber (Beachrats: Teil 3) (German Edition)
ihn auch nicht einfach ignorieren. Er ist mein Freund und er hat nicht viele Freunde. Und er schreibt mir diese ewig langen Briefe über diesen Typen, mit dem er chattet. Er hat mir sogar ein paar Gesprächsmitschnitte und sein Foto geschickt. Der Kerl ist fünfzehn, aber sieht aus wie zwölf, mit Zahnspange, Pickeln und so. Ich weiß einfach nicht, was ich ihm schreiben soll.«
»Sag ihm doch einfach, dass du ihm ein- oder zweimal pro Woche schreibst, aber dass du nicht mehr Zeit hast«, schlug Kevin vor.
»Meinst du, das funktioniert?«
»Einen Versuch ist es wert.«
»Ich will aber wirklich seine Gefühle nicht verletzen.«
»Ich bin stolz auf dich, weil du diese Einstellung hast, Alex«, sagte Kevin. »Ihr wart alle so nett zu ihm. Aber ich glaube, du stehst für ihn im Mittelpunkt, Alex.«
»Was ist daran so besonders?«, fragte ich. »Wir waren nur nett zu ihm. Mehr haben wir nicht getan.«
»Denk mal darüber nach. Seth hat scheinbar ein sehr geringes Selbstwertgefühl. Wisst ihr, was das heißt?«
»Er denkt, dass er wertlos ist, dass niemand ihn mag und dass er sich so fühlt, als würde er niemandem etwas bedeuten«, sagte Justin. »Meinst du das?«
»Ganz genau.«
»Das habe ich auch alles hinter mir.«
»Alex, versuche dich mal in Seth hinein zu versetzen. Stell dir vor, dass du dich für ein wertloses Stück Scheiße hältst. Und dann kommen plötzlich zwei Jungs wie du und David. Und ihr verbringt eine Stunde damit, ihm eure Website zu zeigen. Dann nehmt ihr ihn mit nach draußen zur Parade, scherzt mit ihm und schließt ihn in den Spaß mit ein, den ihr mit euren besten Freunden habt. Diese Freunde schließen ihn ebenfalls sofort mit ein und alle wollen, dass er mit ihnen im French Quarter feiert. Stell dir vor, du fühlst dich wie ein Stück Dreck, weil du schwul bist und diese Jungs, die gutaussehend, gut gebaut, lustig, glücklich und selbstbewusst sind, sagen dir, dass sie auch schwul sind. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja, aber es ist auch irgendwie erschreckend, Kev«, sagte ich. »Ich kann ihn nicht einfach fallen lassen oder ignorieren. Das wäre, als würden wir ihn aufbauen und dann zerschmettern. Ich glaube, daran könnte er zerbrechen, oder?«
»Er würde in Millionen Stücke zerbrechen, Alex. Bitte mach das nicht«, sagte Jus. »Ich werde ihm für dich ein bisschen schreiben. Ich war noch viel kaputter als er und du hast mich auch nicht aufgegeben. Also mache das bei ihm bitte auch nicht.«
Ich war mir nicht sicher, warum es ihm so nahe ging, aber er hatte feuchte Augen.
»Jus, er fragt jeden Tag nach dir. Ich gebe dir seine E-Mail-Adresse, dann kannst du ihm schreiben. Er würde sich sicher darüber freuen. Und keine Sorge, ich lasse meine Freunde nicht fallen.«
»Alex, ich habe vor kurzem mit Kevin und Rick darüber gesprochen. Ich habe keinen blassen Schimmer, was eine E-Mail ist oder was man damit macht. Ich werde es lernen, weil ich weiß, dass es wichtig ist, so etwas zu wissen. Aber ich werde eine Weile brauchen, verstehst du?«
»Kumpel, ich helfe dir und bringe dir das bei«, warf Brian sofort ein. »Wir alle mussten es irgendwann lernen. Wir werden dir alle helfen, oder?«
Er sah David und mich an.
»Worauf du dich verlassen kannst«, sagte ich. »Wenn wir mit dir fertig sind, bist du ein Experte. Und habe niemals Angst davor, etwas zu fragen. Ich wusste auch nichts darüber, wie man eine Website erstellt, bevor ich Jeff gefragt habe. Er hat es mir auch erst zeigen müssen und jetzt kann ich eine Menge selbst machen.«
Dann kam er aber auf das uhrsprüngliche Thema zurück.
»Aber was Seth angeht: ich denke, ich werde ihn einfach weiter schreiben lassen, so wie er Lust hat. Ich schätze, dass es irgendwann weniger wird, wenn er ein paar Freunde findet. Er hat mir von einem Mädchen erzählt, das in einem seiner Kurse neben ihm sitzt - Englisch war es, glaube ich. Er hat vor und nach dem Kurs ein bisschen mit ihr gesprochen. Und er nimmt seinen Nachbarn jetzt in seinem Auto mit zur Schule. Er ist vierzehn oder so. Vielleicht freundet er sich mit ihm an und hat dann nicht mehr so viel Zeit, mir zu schreiben.«
»Hat er sich bei seinen Eltern schon geoutet?«, fragte Kevin.
»Ja, aber es war eher anders herum. Er hat mir geschrieben, dass sie über uns gesprochen hätten. Seine Eltern haben auch davon geredet, dass wir schwul sind und haben dann einfach gesagt, dass sie wissen, dass er schwul ist und dass es für sie vollkommen okay ist. Es war genau so,
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