Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Atmosphäre schwebend; die Sonnenstrahlen, welche auf die Prismen fallen, brechen sich unter Winkeln von sechzig und neunzig Graden. Die Sonnenringe können sich also nur bei heiterem Himmel bilden. Dem Doctor kam diese Erklärung recht sinnreich vor.
    Die Seeleute, welche häufig die Polarmeer-Fahrten machen, sehen dieses Phänomen als Vorboten reichlichen Schnees an. Wenn dieses sich bewährte, so wurde die Lage des Forward sehr bedenklich. Hatteras entschloß sich daher, weiterzufahren; während des übrigen Verlaufs dieses Tages und der folgenden Nacht gönnte er sich keinen Augenblick Ruhe, schaute am Horizont, lief die Strickleiter hinauf, ließ keine Gelegenheit außer Acht, der Ausfahrt der Enge nahe zu kommen.
    Doch am frühen Morgen mußte er vor der undurchdringlichen Eisdecke Halt machen. Der Doctor kam auf der Campanie zu ihm. Hatteras nahm ihn mit sich auf’s Hintertheil, wo sie ohne Besorgniß um Ohrenzeugen plaudern konnten.
    »Wir stecken fest, sagte Hatteras; unmöglich können wir weiter.
    – Unmöglich? fragte der Doctor.
    – Unmöglich! Mit allem Pulver des Forward gewännen wir nicht eine Viertelmeile!
    – Was fangen wir also an? fragte der Doctor.
    – Was weiß ich? verwünscht sei dies heillose Jahr, welches so schlimm beginnt!
    – Nun, Kapitän, wenn man überwintern muß, thun wir’s hier! Die Stelle ist so gut wie eine andere!
    – Allerdings, sagte Hatteras leise; aber man sollte ein Winterquartier vermeiden, zumal im Juni. Der Winteraufenthalt ist voll moralischer und physischer Gefahren. Der Geist einer Mannschaft wird durch die lange Ruhe inmitten wirklicher Leiden leicht herabgestimmt. Darum rechnete ich auch darauf, nur unter einem höhern Breitegrad näher dem Pol meinen Aufenthalt zu nehmen.
    – Ja, aber das Verhängniß hat gewollt, daß die Bassins-Bai versperrt war.
    – Sie war aber doch für einen Andern offen, rief Hatteras voll Entrüstung, für den Amerikaner, den …
    – Sehen Sie, Hatteras, sagte absichtlich unterbrechend der Doctor, wir sind noch nicht am 5. Juni; lassen wir nicht den Muth fallen; es kann sich uns noch plötzlich eine Durchfahrt öffnen; Sie wissen, daß das Eis geneigt ist, sich in mehrere Blöcke zu zertheilen, selbst bei ruhiger Witterung; wir können demnach noch stündlich eine Durchfahrt zum freien Meer finden.
    – Nun denn, wenn eine sich darbietet, wollen wir sie einschlagen! Es ist leicht möglich, daß wir über der Bellot-Straße hinaus eine Bahn finden, wieder nach Norden zu steuern, durch die Peel-Straße, oder den Canal Mac Clintock, und dann …
    – Kapitän, sagte James Wall, der in dem Augenblick herbeikam, wir laufen Gefahr, unser Steuerruder durch die Eisblöcke zu verlieren.
    – Nun, erwiderte Hatteras, so wollen wir die Gefahr laufen. Ich lasse es nicht wegnehmen, will vielmehr zu jeder Stunde bei Tag und Nacht bereit sein. Sorgen Sie, Wall, daß man es so viel wie möglich schützt, und den Eisblöcken ausweicht; aber an seiner Stelle soll es bleiben, verstehen Sie mich?
    – Aber doch, fuhr Wall fort …
    – Man hat mir keine Bemerkungen zu machen, mein Herr, sagte Hatteras mit strengem Ernst. Gehen Sie.«
    Wall begab sich wieder auf seinen Posten.
    »Ach! sagte Hatteras in einer Zorneswallung, ich gäbe fünf Jahre meines Lebens darum, wenn ich mich im Norden befände! Es ist mir keine Durchfahrt bekannt, die gefahrvoller wäre. Zum Uebermaß der Schwierigkeit ist in dieser Nähe des magnetischen Pols der Compaß nicht zu gebrauchen, die Nadel wird entweder säumig oder irrig, und ändert beständig ihre Richtung!
    – Ich gestehe, erwiderte der Doctor, es ist eine gefahrvolle Fahrt; aber am Ende haben doch die, welche sie unternehmen, sich darauf gefaßt gemacht, so daß ihnen nichts dabei überraschend vorkommen kann.
    – Ach! Doctor! Meine Mannschaft ist sehr verändert, und wie Sie eben gesehen haben, sind bereits die Officiere im Stande Einwendungen zu machen. Die hohe Löhnung war zwar geeignet, für ihre Anwerbung die Entscheidung zu geben; aber das hat auch seine schlimme Seite, denn nach der Abfahrt sind sie um so mehr auf die Rückkehr versessen! Doctor, ich finde bei meiner Unternehmung nicht die nöthige Stütze, und wenn sie scheitert, ist nicht dieser oder jener Matrose daran schuld, sondern der Mangel an Wille bei einigen Officieren … Ah! Das werden sie schwer zu büßen haben!
    – Sie übertreiben, Hatteras.
    – Ich übertreibe nichts! Meinen Sie, die Leute seien mißgestimmt über die Hindernisse,

Weitere Kostenlose Bücher