Reisestipendien
zwischen denen die Strömungen hin-und herschwanken, die den Golf von Mexiko furchen.
Man darf diesen Golf jedoch nicht mit dem eigentlichen Antillenmeer verwechseln: Beide sind wohl unterschiedene Wasserbecken, die ihre besondere Gestalt und eine verschiedene Ausdehnung haben; das erste mißt nur fünfzehnhundert-, das zweite dagegen neunzehnhunderttausend Quadratkilometer.
Bekanntlich entdeckte Christoph Columbus 1492 Cuba, die größte der Antillen, nachdem er vorher die Inseln Conception, Fernandina und Isabella angelaufen hatte, wo der Genueser Seeheld die spanische Flagge aufpflanzte. Er glaubte damals freilich, seine Karavellen hätten die äußersten Landmarken Asiens, die Gewürzländer, erreicht, und er ist auch gestorben ohne Kenntnis davon, daß er den Fuß auf einen neuen Erdteil gesetzt hatte.
Seit jener Zeit haben sich verschiedene europäische Mächte in blutigen Kriegen mit entsetzlichen Metzeleien und unter immer neu auflodernden Streitigkeiten um das Gebiet der Antillen beworben, und es ist selbst heute noch nicht sicher, ob die Verhältnisse dort eine endgültige Regelung erfahren haben. 1
Gegenwärtig entspricht folgende Aufzählung der dortigen Sachlage:
Eine unabhängige Insel: Haïti-Sankt-Domingo.
England gehörig: siebzehn Inseln.
Frankreich gehörig: fünf Inseln und die Hälfte von Saint-Martin.
Unter holländischer Oberhoheit: fünf und die andere Hälfte von Saint-Martin.
Spanische Inseln: zwei.
Dänische Besitzungen: drei.
Zu Venezuela gehörig: sechs Inseln.
Zu Schweden endlich: eine Insel. (Inzwischen von Schweden abgetreten.)
Was den Namen »Westindien« für die Antillen betrifft, so erklärt sich dieser aus dem Irrtum des Christoph Columbus bezüglich der geographischen Zugehörigkeit seiner Entdeckungen.
Die ganze Gruppe, vom Eilande Sombrero im Norden bis Barbados im Süden, d. i. die der Kleinen Antillen, erstreckt sich über eine Fläche von sechstausendvierhundertacht Quadratkilometern. England besitzt davon dreitausendfünfhundertfünfzig. Frankreich zweitausendsiebenhundertsiebenundsiebzig und Holland einundachtzig Quadratkilometer.
Alle Inseln zusammen zählen siebenhundertzweiundneunzigtausend Einwohner, wovon vierhundertachtundvierzigtausend auf England, dreihundertsechsunddreißigtausend auf Frankreich und achttausendzweihundert auf Holland kommen.
Die dänischen Besitzungen gehören mehr zur Gruppe der Jungferninseln, von denen dreihundertneunundfünfzig Quadratkilometer mit vierunddreißigtausend Bewohnern unter dänischer, und hundertfünfundsechzig Quadratkilometer mit fünftausendzweihundert Bewohnern unter britischer Oberhoheit stehen.
Die Jungferninseln können füglich als ein Teil Kleinantiliens betrachtet werden. Von den Dänen im Jahre 1671 in Besitz genommen, bilden sie hauptsächlich deren westindisches Kolonialgebiet und sind unter den Namen Sankt-Thomas, Sankt-Johann und Sainte-Croix (Santa-Cruz) bekannt. Auf der ersten hat einer der jungen Stipendiaten das Licht der Welt erblickt, Niels Harboe, der sechste Preisträger im Wettbewerbe der Antilian School.
An dieser Insel sollte Harry Markel also nach einer glücklichen, fünfundzwanzigtägigen Überfahrt am Morgen des 26. Juli vor Anker gehen. Von hier aus brauchte der »Alert« nur noch nach Süden zu steuern, um die übrigen in Aussicht genommenen Inseln anzulaufen.
Ist Sankt-Thomas auch nur klein, so hat es doch einen sicheren und gut befestigten Hafen. Fünfzig Fahrzeuge von großem Tonnengehalt können bequem darin Platz finden. Die englischen und französischen Flibustier ließen sich ihn auch nicht streitig machen, als die europäischen Flotten in jenen Gewässern miteinander kämpften und die Inseln Antiliens einmal einnahmen, dann sich wieder entrissen sahen… wie wilde Raubtiere, die sich um eine ihre Begierde reizende Beute balgen. Christian Harboe wohnte in Sankt-Thomas, und die beiden Brüder hatten seit mehreren Jahren keine Gelegenheit zu einem Wiedersehen gehabt. Natürlich erwarteten beide das Eintreffen des »Alert« mit größter Ungeduld.
Christian Harboe war neun Jahre älter als Niels und dessen einziger Verwandter auf der Insel. Zu den reichsten hiesigen Kaufleuten gehörend, war er von höchst sympathischer Natur mit liebenswürdiger Zurückhaltung, dieser besonderen Eigenschaft der Kinder des Nordens. Nach seiner Niederlassung in der dänischen Kolonie hatte er das große Geschäft seines Onkels, eines Bruders seiner Mutter, übernommen, in dem allerlei
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