Reisestipendien
Dänin vermählt, und dieser Ehe waren zwei liebliche Töchterchen entsprossen. Wie herzlich kam die junge Frau ihrem Schwager entgegen, den sie bisher noch nicht kannte, und auch dessen Kameraden, die ihr vorgestellt wurden. Was aber Niels anging, so hatte wohl kaum jemals ein Onkel seine Nichten so innig in die Arme geschlossen und geliebkost, wie er.
»Nein, sind sie hübsch… sind die Kleinen hübsch! rief er wiederholt.
– Und warum sollten sie nicht hübsch sein? ließ sich Horatio Patterson vernehmen.
Talis pater… talis mater…
quales filiae!«
Diesem Citate stimmten auch alle unumwunden bei.
Die jungen Passagiere und ihr Mentor erhielten also Unterkunft in der Villa, die geräumig genug war, allen schön ausgestattete Zimmer zu bieten. Hier konnten sie sich bei reichlichem Mahle von der ziemlich einförmigen Schiffsnahrung erholen, die ja auch Ranyah Coghs Talent nicht besser zu gestalten vermochte. Und welche angenehme Siesta gab es hier in den heißen Tagesstunden in dem schattigen Parkgarten, der die Wohnung Christian Harboes umschloß. Bei diesen täglichen Plauderstündchen kam das Gespräch oft auf die in Europa zurückgelassenen Familien, oder es betraf Niels Harboe, der, da er elternlos war, nach Vollendung seiner Ausbildung zu seinem Bruder zurückkehren sollte. Hier sollte er in dessen Handelshause tätig sein, und Christian Harboe gedachte auch noch auf der Sankt-Thomas benachbarten Insel Sankt-Johann ein Zweiggeschäft zu begründen.
Sankt-Johann war übrigens in den letzten Jahren für fünf Millionen Piaster den Vereinigten Staaten zum Kauf angeboten worden; die Republik hatte das aber abgelehnt. 2
Auf Sankt-Johann hatten sich die ersten Kolonisten angesiedelt, weil sie meinten, Sankt-Thomas würde sich für eine umfängliche Entwicklung des Handels nicht eignen. Da Sankt-Johann aber nur drei Lieues lang und zwei breit ist, wurde es bald als zu klein erkannt, und die Kolonisten wanderten dann nach Sainte-Croix aus.
Wiederholt erwähnte Christian Harboe auch den Kapitän des »Alert« und dessen Mannschaft, wobei er durchblicken ließ, daß die von Patterson beiden gespendeten Lobeserhebungen ihm doch nicht recht begründet erschienen.
Selbstverständlich wurden auch einige Ausflüge auf Sankt-Thomas unternommen, das des Besuches der Touristen entschieden wert ist. Die aus Porphyr bestehende Insel hat im nördlichen Teile ziemlich welliges Terrain, das noch durch prächtige Hügel verschönert wird, deren höchster bis vierzehnhundert Fuß über das Meer aufragt.
Die jungen Ausflügler bestanden darauf, dessen Gipfel zu ersteigen, und wenn das auch nicht ohne Anstrengung ablief, so wurden sie doch reichlich durch die Schönheit des Bildes belohnt, das sich dem Auge von der Höhe aus darbot. Die Aussicht von hier reichte bis Sankt-Johann, das, einem ungeheuern Fische ähnlich aus dem Antillenmeere herausragend, von einer Menge Eilanden, wie Hans-Lellik, Loango, Buek, Saba, Savana u. a. und darüber hinaus von der im Sonnenglanze schimmernden Wasserwüste umgeben war.
Sankt-Thomas hat übrigens nur eine Oberfläche von sechsundachtzig Quadratkilometern, d. h., wie Louis Clodion bemerkte, kaum hundertzweiundsiebzigmal die des Pariser Marsfeldes.
Nach Ablauf der drei programmäßigen Tage begaben sich die Passagiere wieder an Bord des »Alert«, wo alles zur Abfahrt bereit war. Herr und Frau Harboe begleiteten die Gesellschaft dahin. Patterson sprach ihm noch in aller Namen den wärmsten Dank für ihre Gastfreundlichkeit aus, und die beiden Brüder umarmten sich zum letzten Male.
Am Abend des 28. Juli lichtete der Dreimaster die Anker, hißte seine Segel und glitt bei günstiger nordöstlicher Brise mit südwestlichem Kurse hinaus auf die Insel Sainte-Croix zu, wo zunächst Aufenthalt genommen werden sollte.
Die Strecke von sechzig Seemeilen zwischen den beiden Inseln wurde binnen sechsunddreißig Stunden zurückgelegt.
Als die Kolonisten, deren es für Sankt-Thomas und Sankt-Johann zu viele waren, wie erwähnt, nach der zweihundertachtzehn Quadratkilometer großen Insel Sainte-Croix übersiedeln wollten, fanden sie diese in den Händen englischer Flibustier, die sich hier seit der Mitte des 17. Jahrhunderts eingenistet hatten. Das führte natürlich zu Mißhelligkeiten und zu wiederholten, zuweilen recht blutigen Kämpfen, die zunächst zu Gunsten der britischen Abenteurer ausgingen. Diese Burschen, die von Anfang an mehr Seeräuber als Kolonisten waren und das Meer in weitem
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