Reisestipendien
Christian Harboe. Wollen Sie dann von heute an mit meinen anderen Gästen wenigstens bei mir zu Mittag speisen?
– Ich danke bestens, verehrter Herr, erwiderte Harry Markel, doch ich habe hier einige Ausbesserungen ausführen zu lassen, die mich jede Stunde in Anspruch nehmen. Überhaupt ziehe ich es vor, mein Schiff so wenig wie möglich zu verlassen.«
Christian Harboe schien von dem kühlen Ton dieser Ablehnung etwas überrascht zu sein. Freilich findet man unter den Seeleuten, und besonders häufig unter den Kapitänen der britischen Handelsflotte, manche ungeschliffene Gesellen, schlecht erzogene Leute, deren Manieren sich bei der Ausübung ihres Berufes, bei der Berührung mit rohen Matrosen, natürlich auch nicht verfeinert haben. Jedenfalls war der Eindruck, den Harry Markel und seine Mannschaft bei dem ersten Zusammentreffen auf ihn machte, nichts weniger als günstig. Immerhin war das Schiff während der Reise gut geführt worden und die Überfahrt glücklich verlaufen, das war ja am Ende die Hauptsache.
Eine halbe Stunde später landeten die Passagiere am Kai von Charlotte-Amalia und begaben sich nach dem Hause Christian Harboes.
Kaum waren sie außer Sicht, als John Carpenter bemerkte:
»Na, Harry, es scheint sich ja alles zum besten zu gestalten.
– Ja, wenigstens bis jetzt, gab Harry Markel zu. Wir werden aber, wo wir später nach Halt machen, eher die doppelte Vorsicht nötig haben.
– Die wird nicht vernachlässigt werden, Harry; es hat doch keiner von uns Lust, den Erfolg dieses Unternehmens aufs Spiel zu setzen. Es hat gut angefangen… es wird auch gut enden.
– Gewiß, John, wenn nämlich niemand auf Sankt-Thomas den Kapitän Paxton persönlich gekannt hat. Du wirst übrigens darauf achten, daß keiner unserer Leute ans Land geht!«
Harry Markel hatte ganz recht damit, seine Mannschaft am Verlassen des Schiffes zu hindern. Gestattete man den Matrosen, alle Schenken und Spelunken abzulaufen und übermäßig zu trinken – was ja niemals ausblieb, wenn sie sich allein überlassen waren – so konnte ihnen gar zu leicht ein verdächtiges Wort entschlüpfen, und deshalb erschien es ratsam, sie auf dem »Alert« strengstens zurückzuhalten.
»Ganz richtig, Harry, fuhr John Carpenter fort, und wenn sie gar zu großes Verlangen zu trinken haben, mögen sie die doppelte oder dreifache Ration bekommen. Jetzt sind die Passagiere für drei Tage auf dem Lande, und wenn unsere Leute da hier einmal einen Schluck zuviel nehmen, hat’s ja nicht viel zu bedeuten.«
Mulatten von den Antillen.
Übrigens begriffen die Mannschaften des »Alert«, wenn sie sonst auch zu Exzessen geneigt waren und sich für die Enthaltsamkeit an Bord in den Häfen gründlich zu entschädigen liebten, daß ihre Lage keine ungefährliche war, und schon deshalb hüteten sie sich gewiß, sie irgendwie zu kompromittieren. Dazu war es aber nötig, jede Berührung mit der Bevölkerung der Insel und mit den Teerjacken jeder Nationalität zu vermeiden und sich nicht der Gefahr auszusetzen, daß einer der Piraten vom »Halifax« von dem oder jenem der Abenteurer erkannt werden könnte, die sich meist schon auf allen Meeren umhergetrieben hatten. Von Harry Markel erging also der gemessene Befehl, daß einerseits keiner der Leute das Land beträte, und anderseits, daß man auch keinem Fremden an Bord zu kommen erlaubte.
Sainte-Croix – Frederikstadt
Das Geschäftshaus Christian Harboes lag unmittelbar am Kai. Hier werden sehr umfangreiche Geschäfte abgeschlossen, denn die jährliche Einfuhr allein hat einen Wert von fünf Millionen sechsmalhunderttausend Francs, und das bei einer Bevölkerung von knapp zwölftausend Seelen.
Mit der Sprache konnten die jungen Passagiere nicht in Verlegenheit kommen, denn hier schwirrten die spanische, die dänische, die holländische, die englische und die französische Zunge bunt durcheinander, so daß sie sich fast hätten in eine der Klassen der von Ardagh geleiteten Antilian School versetzt glauben können.
Die Privatwohnung Christian Harboes befand sich etwa eine englische Meile entfernt von der Stadt an der Abdachung eines Berges, der den Hafen amphitheatralisch umrahmte.
Hier liegen in herrlicher Umgebung, inmitten üppiger tropischer Bäume, die Villen der reichen Kolonisten der Insel, und das Heim Christian Harboes war eines der größten und elegantesten Landhäuser.
Vor sieben Jahren hatte sich Christian Harboe mit einer aus vornehmer Familie stammenden jungen
Weitere Kostenlose Bücher