Reispudding mit Zimt (German Edition)
Im Allgemeinen lobt man mein Essen.“
„Du weißt aber schon“, wendet Gladys ein, „dass Koch ein ordentlicher Lehrberuf ist. Du kannst nicht einfach irgendwo auftauchen und sagen: 'Hallo, ich koch jetzt hier für euch'.“
„Etwa nicht?“, frage ich schelmisch. Aber als ich Gladys' ernstes Gesicht sehe, sage ich sofort: „Nein. Natürlich nicht.“ (Für wie naiv halten die beiden mich denn?) „Ich weiß, dass ich erst mein Handwerk lernen muss. Aber gerade darauf freue ich mich schon ungemein.“
„Und wie hast du dir das gedacht? Machst du etwa deine Lehre als Bräterin in Freddys Bude?“, Gladys klingt nun regelrecht streng.
Oh Himmel, bin ich wieder unter die finsteren Mahner geraten?
Ich starre auf meine Serviette und stelle fest, dass ich im Begriff bin, sie aus Frust zu zerknüllen.
Wieder sage ich: „Nein.“ Aber dieses 'Nein' klingt in meinen Ohren irgendwie schlapp, mutlos. „ich schätze, ich werde mir demnächst eine Lehrstelle suchen müssen.“
„Stimmt“, sagt Gladys, „und bis es so weit ist, bringe ich dir ein paar Kniffe bei. Ich schlage vor, du deckst schon mal ab. Dann zeige ich dir, wie man einen knusprigen Pasteten-Teig macht. Zum Abendbrot gibt es selbstgemachte Leberpastete, Len. Du kannst dich schon mal freuen.“
Len lehnt sich zufrieden zurück und seufzt glücklich: „Geht in Ordnung, Gladys. Gute Idee, das, mit dem Kochunterricht für Anna.“ Dann greift er nach seinem Zigarettenpäckchen und zündet sich einen Glimmstängel an. Als ich Gladys in die Küche folge, schickt er die ersten Rauchkringel an die Zimmerdecke.
Für mich bricht eine ungeheuer quirlige aber auch spannende Zeit an.
Das Wochenende ist schnell um und am Sonntagabend lege ich mich mit mulmigem Gefühl ins Bett. Ob ich es wohl schaffe, Freddy würdig zu vertreten? Ich muss es, denn schließlich ist das die Gewähr, dass ich noch in England bleiben kann. Ohne Geld, keine Miete.
In der Nacht plagt mich ein schrecklicher Albtraum. Ich gehe durch wabernde Nebelbänke hinunter an den Strand und suche die Fischer, aber kann nirgends einen finden, weil der Dunst zu dicht ist. Plötzlich taucht ein unheimlicher Geselle direkt vor mir auf mit einem riesigen Kasten grauer, glitschiger Wesen, die sich winden und zappeln. Mit flehenden Augen glotzen die Tiere mich an. Ich drehe mich, um zu fliehen, da verfolgt der Mann mich zur Bude und kippt die ganze Ladung auf die Theke, so dass das Getier darauf herum purzelt, auf den Boden gleitet und mir keinen Platz zum Treten lässt. Inzwischen hat sich eine endlos lange Schlange hungriger Kunden gebildet, die mich alle böse und vorwurfsvoll anstarren.
Als der Wecker mich um Vier weckt, bin ich schweißgebadet. Benommen quäle ich mich aus dem Bett, um mit einem kleinen Handwagen, der zu Freddys Bude gehört, zum Strand zu eilen, wo die ersten Fischerboote schon anlegen.
Ganz anders als in meinem Traum, sind dort schon einige Leute und Händler unterwegs. Sie scharen sich um die bunten Boote. Möwen umfliegen krächzend und lärmend den Strand. Es wird gerufen und gescherzt. Davon habe ich im Luxus von Claras weichem Gästebett nie etwas mitbekommen. Wenn ich morgens zum Joggen aufgestanden war, ganz stolz darauf, dass ich schon vor allen anderen Touristen auf war, waren alle Spuren dieser Geschäftigkeit schon längst verschwunden.
Der eine Fischer erkennt mich wohl an dem Handwagen, denn er pfeift mich gleich herbei, als er mich sieht.
„Freddy hat mir schon Bescheid gesagt, dass ich dich beliefern soll“, sagt er. Mit Schwung hebt er einen Plastikkorb auf das Gefährt. Ich blicke hinein und sehe zu meiner unendlichen Erleichterung, dass die Fische schon ausgenommen und zum Braten filetiert sind. Sie sind in Eis gebettet, sehen überaus appetitlich aus und riechen gut und frisch.
„Danke“, sage ich, „was bekommen Sie dafür?“
Er winkt ab: „Nichts. Das regelt Freddy alles mit mir. Bis morgen!“
Wunderbar. Schlaftrunken rolle ich mit meiner Beute zur Bude, schließe sie auf, schiebe den Wagen hinein, schließe wieder ab und kehre in die Slaughden Road zurück, wo ich wieder in mein noch warmes Bett krieche und noch zwei Stunden schlafe.
Auf das Joggen verzichte ich in diesem, meinem „neuen“, Leben, denn nun brauche ich keinen Blitzableiter für meine kribbelnde Energie. Die benötige ich nun ganz und gar, um einigermaßen durch den Tag zu kommen.
Die ersten hungrigen Touristen kommen um die Mittagszeit. Da stehe ich schon seit
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