Reispudding mit Zimt (German Edition)
„eigentlich sollten das Seesterne werden. Sieht aber mehr nach Quallen aus.“
Da müssen wir beide lachen. Wir verbringen noch eine halbe Stunde in der Küche und fabrizieren Goldfische und Seesterne, als ging es um unser Leben. Sie wandern sorgfältig in Frischhaltefolie gewickelt in den Kühlschrank.
Am nächsten Morgen bricht schon die zweite Woche von meinem Job an. Etwas nervös macht mich der Gedanke, was mit mir geschehen soll, wenn Freddy zurück ist.
Ich habe Gladys Rat: „Du musst dir eine Lehrstelle suchen“ ständig im Sinn und gewöhne mir bald an, kleine Umwege durch die Straßen und Gässchen von Aldeburgh zu gehen, die mich an den verschiedenen Hotels und Restaurants vorbeiführen. Ich bin immer auf der Ausschau nach einem Lehrstellenaushang, aber irgendwie sieht es nicht gut aus. In der Hauptsaison haben die Chefs wohl keine Lust, sich mit einem neuen Lehrling herum zu plagen.
Mein Vater meldet sich. Natürlich hat Clara ihm erzählt, dass ich bei ihr ausgezogen bin. Seitdem klingelt mein Handy mindestens einmal pro Tag und er ist dran.
„Warum bist du bei Clara ausgezogen?“
Ich sage, dass wir uns nicht verstanden hätten und ich ihr nicht hätte zur Last fallen wollen.
„Wie stellst du dir das alles vor? Wer soll jetzt die Miete in der neuen Bleibe für dich zahlen?“
Ich erwidere, dass ich zur Zeit einen Job hätte.
„Wie soll es jetzt überhaupt mit dir weiter gehen?“
Ich sage, dass ich es nicht weiß.
„Es laufen jetzt die Bewerbungsfristen für die Immatrikulationen für das Wintersemester. Die darfst du nicht verpassen.“
Genau das habe ich vor, aber das sage ich ihm natürlich nicht.
Ich verfluche mein Handy und überlege schon, es einfach stillzulegen. Andererseits benötige ich es, um mit Freddy in Kontakt zu bleiben. Seine Operation ist gut gelaufen, aber die Ärzte haben ihm zu einer Reha geraten. Ob ich mir vorstellen kann, den Stand noch eine Woche länger zu betreiben?
Und ob! Ein Stein fällt mir vom Herzen, denn wie ein lauerndes Gespenst sitzt mir die Angst vor der „Arbeitslosigkeit“ im Nacken. Kein Geld, keine Miete, zurück nach Hamburg. So einfach stellt sich meine Situation da.
Außerdem macht mir die Arbeit an dem Stand einen Riesenspaß, auch wenn sie sauanstrengend ist.
Am Montag ist es so weit; ich brate den Fisch mit meinem neuen Rezept. Natürlich frage ich mich, ob Freddy vielleicht deswegen sauer sein wird, aber er muss es ja nicht unbedingt erfahren. Wenn der Fisch vom „Publikum“ total abgelehnt werden sollte, kann ich ihn einfach wieder streichen. Freddys Fisch biete ich parallel zum Neuen an. Die Gäste können dazwischen wählen.
Und nun sage mal Einer, die Briten wären so wahnsinnig konservativ! Ich kann nur bestätigen, dass das keinesfalls stimmt. Kaum habe ich meinen Stand aufgemacht und den ersten „Curryfish“ in die Fritteuse gelegt, da folgen die Gäste ihrer Nase und stehen neugierig vor meinem Stand.
Sie meinen, es rieche hier so lecker. Ob ich mein Angebot erweitert habe?
Ich deute, für jeden der lesen kann, auf ein großes Schild, dass ich auf die Theke gestellt habe: „Fischfilet Exotisch“.
Nicht gelogen, ich werde keinen einzigen „normalen“ Fisch los. Alle wollen den neuen Fisch probieren. (In so einem englischen Seebad ist jede Abwechslung spannend, besonders, wenn der Ort so klein ist wie Aldeburgh).
Den ganzen Tag brate ich Fisch wie am Fließband. Manche Kunden essen eine Portion und kommen gleich nochmal, um sich noch eine zu kaufen.
Für mich ist das so beglückend. Es schmeckt den Leuten. Mein Experiment ist mit Erfolg gekrönt. Es tut gut, ihr liebenswertes Lob zu hören.
Den Kindern lege ich einen „Goldfisch“ oder eine meiner Quallen, (die eigentlich Seesterne sein sollen), mit zur Portion und sie quieken vor Begeisterung.
Am Abend bin ich wieder rechtschaffen müde und stinke zudem nach Bratfett und Curry, aber als ich mich bei Gladys und Len in die Wanne lege, um meine müden Knochen zu entspannen und mich vom Geruch zu befreien, schließe ich meine Augen und denke nur, wie toll mein Leben zur Zeit ist.
Am nächsten Tag steht schon eine kleine Schlange vor dem Stand, obwohl ich erst in einer halben Stunde öffnen werde.
Kaum ist der erste Fisch fertig, da reißen mir die Kunden ihn geradezu aus der Hand. Hach, es ist zu schön!
Gegen Mittag schiebt ein junges Paar mit einem Zwillingskinderwagen an meine Bude heran. Die Frau bestellt Pommes für sich und die Kinder. Der junge Mann
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