Reispudding mit Zimt (German Edition)
ein Koch zaubert, aufgegessen und ist dann verschwunden. Aber hinterlässt ein wirklich gelungenes Essen bei den Nutznießern nicht genauso einen bleibenden Eindruck wie ein schönes Kirchenfenster oder ein bewegendes Musikstück?
Ökotrophologie! Schon der Ausdruck lässt mich frösteln. Das klingt so wissenschaftlich, so trocken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in so einem Studium nie die Erfüllung finden könnte, die mir das Kochen geben würde.
Nein. Mein Entschluss steht fest. Ich weiß genau was ich will und werde alles tun, um mein Ziel zu erreichen, auch wenn ich dafür erst einmal in einer Bar Bierzapfen und Gläser spülen muss.
Eine Weile sitze ich noch in der Kirche und genieße die Ruhe, dann geht die Tür auf, und eine Touristengruppe erobert den Raum. Da stehe ich auf und gehe.
Mein neuer Job kommt gerade noch rechtzeitig, denn am selben Abend ruft Freddy mich an und teilt mir mit, dass er wieder wohlauf ist und den Stand wieder übernehmen kann.
Er wird mir mein verdientes Geld überweisen. Vielen Dank für die Aushilfe, und ich darf jederzeit bei ihm vorbei kommen und eine Gratisportion Fish and Chips essen. Na, das ist doch ein Wort!
Ich denke mir, dass er sein großzügiges Angebot bestimmt bereuen wird, denn so knapp bei Kasse wie ich in Zukunft sein werde, komme ich mit Sicherheit gerne und häufig auf das Angebot zurück.
Am nächsten Nachmittag stehe ich in meinem Zimmer vor dem Spiegel. Ich bin einigermaßen ratlos. Was zieht man als Barhilfe eigentlich so an? In Hamburg habe ich als Schülerin mal auf einem Kongress als Hostess gearbeitet. Der Veranstalter hatte uns alle mit schicken weißen Blusen und einheitlichen Kostümen ausstaffiert. So eine Uniform ist irgendwie praktisch, da muss man keine eigenen Entscheidungen fällen.
Aber als Barhilfe...?
Was hat der Schmierige Humphrey denn angehabt? Ein graues T-Shirt und eine lange schwarze Schürze. Ich krame in meinen T-Shirts. Meine farbigen T-Shirts sehen alle zu sehr nach Girlie aus. Ich habe aber ein schwarzes, das sieht ganz distinguiert aus. Der Halsausschnitt ist etwas tief, aber nicht so tief, dass man sich entblößt fühlt. Dazu ziehe ich meine normale Jeans an. Wenn ich darüber so eine lange Schürze habe, würde man von der Hose sowieso nicht viel sehen.
Doch, hinten. Ich drehe mich und werfe einen kritischen Blick auf meinen Hintern. Hm. Die Jeans ist schon ziemlich eng. Aber andererseits bin ich mit meinem Po schon immer zufrieden gewesen. Er ist eins meiner Körperteile, wegen denen ich keine Komplexe zu haben brauche. Durch das Joggen und den Stress in der Fischbude habe ich meine alte Figur wieder erreicht. Ist schon alles okay.
Und die Haare? Im Fischstand habe ich immer mein Piratentuch gehabt, aber das wird jetzt blöd aussehen. Ich experimentiere ein wenig und drehe sie dann zu einem lockeren Knoten hoch, so dass ein paar Strähnen frech heraus fallen. Was sicher ganz toll wäre, wäre jetzt ein Nasenpiercing, oder so. Ob man sich so etwas in Aldeburgh machen lassen kann? Vermutlich nicht. Und ich will ja nicht mein ganzes Leben lang Bardame bleiben. Eigentlich will ich auch lieber nicht so aussehen, als ob es so sei. Also tusche ich mir nur leicht die Wimpern und lasse es sonst dabei bewenden.
Der Gesamteffekt ist gar nicht so übel. Ich denke, dass ich mir von mir selber gerne ein Bier servieren lassen würde.
Als ich die Treppe herunter komme, lugt Gladys aus dem Wohnzimmer heraus.
„Gehst du noch aus?“, fragt sie.
„Hm. Ja.“
„Ein Rendezvous?“
Oh Mann! Jetzt fühle ich mich fast wieder wie zu Hause in Hamburg. Gleich wird sie mich fragen, wie er heißt und was sein Vater macht. Mir liegt schon eine barsche Entgegnung auf der Zunge. Aber Gladys ist immer so süß zu mir, dass ich mich zurückhalte. Stattdessen sage ich nur verschmitzt: „Wer weiß?“ und kneife eine Auge zu.
Gladys zwinkert zurück und wünscht mir: „Viel Glück!“
Anders als mein Vater scheinen sie und Len zu bedauern, dass ich als Single durchs Leben gehe. Gelegentlich seufzen sie, schütteln die Köpfe und trösten mich, dass eines Tages der Richtige, genannt „Mr. Right“, schon meinen Weg kreuzen wird.
Und so verlasse ich das Haus und mache mich auf den Weg zum 'Black Anchor', zum 'Rendezvous' mit (würg) Humphrey.
Eine halbe Stunde später stehe ich voll im Dienst. Der 'Black Anchor' ist beliebt, denn das Ambiente ist urig und die Lage direkt am Strand optimal. Schon um halb sieben sind alle
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