Reispudding mit Zimt (German Edition)
Wirtsleuten: „Mein Vater.“
Er ist wieder dran.
Er habe sich überlegt, dass ich doch als Lehrling mein Auskommen hätte. Als Studentin hätte ich natürlich eine monatliche Unterstützung von meinen Eltern benötigt und erwarten können. Aber ich gefiele mir anscheinend darin, selbständig zu sein. Und so wäre ich sicher einverstanden damit, dass er meine Abnabelungsbestrebungen „respektiere“ und mich finanziell erst einmal meinen Weg gehen ließe.
Dann verabschiedet er sich und legt auf.
Ich starre das Telefon ungläubig an, als ob es mir beim Begreifen dieser neuen Wendung helfen könnte.
Gladys und Len versuchen diskret zu tun, brennen aber offensichtlich vor Neugier.
„Und?“, fragt Gladys.
Ich werfe das Telefon ungeduldig auf den Tisch und greife wieder nach meinem Wheatabix-Löffel.
„Jetzt stecke ich richtig in der Scheiße“, murmle ich düster.
„Warum?“, fragt Len.
„Weil ich meinem Vater vorgeflunkert habe, ich hätte eine Lehrstelle, und in Wirklichkeit keine habe. Er bezahlt mir deshalb keinen Unterhalt. Ich habe nur einen popeligen Job und den auch nur noch für höchstens ein bis zwei Wochen.“ Ich lege meinen Löffel wieder hin und wische mir mit der Hand über das Gesicht. „Dann könnt ihr mich auf die Straße setzen, denn ich wüsste nicht, wovon ich meine Miete zahlen soll.“ Peinlicherweise merke ich, wie meine Augen vor Selbstmitleid feucht werden. Ich drehe meinen Kopf zum Fenster, damit die beiden es nicht sehen können. Da sehe ich den Regen, der unerbittlich herunter trommelt.
Mist! Ich weiß gar nicht, wie Freddy und ich verblieben sind. Hat er mir zugesagt, dass ich an Regentagen weiter bezahlt werde? Mir wird plötzlich ganz heiß. Wenn nicht, bekomme ich, so lange das schlechte Wetter anhält, (und das ist in dieser Ecke von England nicht so unwahrscheinlich), null Gehalt. Na toll! Da habe ich mich wunderbar in etwas hinein manövriert. Wie doof kann man nur sein?
Jetzt schlage ich beide Hände vor mein Gesicht und denke verzweifelt nach.
Was soll ich bloß machen? Zurück nach Hamburg fahren? Vor meinem Vater auf dem Bauch kriechen und mich bereit erklären, Ökotrophologie zu studieren? Der blanke Horror!
Gladys legt ihre Hand auf meine Schulter.
„Du musst nicht so traurig sein, Anna“, sagt sie sanft, „wir setzten dich bestimmt nicht auf die Straße. Dafür mögen wir dich viel zu gut leiden. Notfalls lebst du hier auf Pump und zahlst es später ab.“
Ich sehe sie an. Das ist so lieb von ihr, und auch so freundlich vorgetragen, dass ich sie am Liebsten umarmen würde. Trotzdem gebe ich zu Bedenken: „Aber wie und wann sollte das jemals möglich sein? Zur Zeit habe ich doch absolut keine Perspektive.“
Len meldet sich jetzt wieder zu Wort: „Ich hätte da eine Idee. Zufällig weiß ich, dass der Wirt der 'Black Anchor' jemanden sucht, der jetzt in der Hauptsaison hinter der Bar aushilft. Wenn du willst, kann ich dir die Stelle besorgen.“
Aber Gladys faucht ihn an: „Len Smith! Bist du noch zu retten? Guck dir doch unsere Anna an. So süß und hübsch. Du kannst doch so ein nettes Mädchen nicht abends im Pub arbeiten lassen!“
Len zuckt mit den Schultern. „Wieso nicht? Meines Wissens zahlt Humphrey ganz gut.“
Jetzt spitze ich die Ohren. Vielleicht wäre das tatsächlich ein Möglichkeit. Nur für eine Weile, bis ich etwas Besseres finde. Auch wenn ich an meinen Vater gar nicht denken möchte. „Meine Tochter, die Barfrau“, das ist sein Tod.
„Ich habe eine bessere Idee“, meint die unerschütterliche Gladys. „Ich bin doch schließlich eine ausgebildete Köchin. Was spricht eigentlich dagegen, dass ich erst einmal deine offizielle Lehrherrin bin, Anna? Wir machen so weiter wie immer. Ich zeige dir in unserer Küche meine ganzen Kniffe und Tricks und Rezepte. Und weil ich dir kein Gehalt zahlen kann oder will, darfst du stattdessen erst einmal mietfrei wohnen. Was hältst du davon?“
Ich bin ganz gerührt. Womit habe ich das nur verdient?
Aber ich schüttele mit dem Kopf. „Das ist lieb von dir, Gladys, aber das kann ich wirklich nicht annehmen. Ich weiß, dass ihr auf das Geld angewiesen seid. Nein, ihr seid beide sehr lieb und hilfreich, aber ich werde mit dem Problem schon alleine klarkommen müssen. Mir wird schon etwas einfallen.“
Dann stehe ich auf und verlasse das Zimmer. Wenn ich ihre liebevoll besorgten Gesichter noch einen Moment länger ertragen muss, breche ich vor ihren Augen in Tränen aus. Das will ich
Weitere Kostenlose Bücher