Reiterferien auf Ponyhof Muehlental - Band 1-3
bei dem Turnier tragen wollte. Ihre nagelneue Reithose hatte sie erst ein einziges Mal angehabt. Das neue schwarze Sweatshirt passte perfekt dazu. Gewissenhaft bürstete sie ihre Reitkappe ab, auf der einige Schlammspritzer festgetrocknet waren. Leise summend drapierte sie die Sachen ordentlich auf ihren Stuhl und war schon in Gedanken beim morgigen Springen. Wie immer stellte sich am Abend vorher schon ein leichtes Kribbeln ein, obwohl Anna überhaupt keine Sorge zu haben brauchte, sie könnte schlecht abschneiden, denn solch ein E-Springen konnten sie und Fee eigentlich locker bewältigen. Aber man wusste ja nie. Wenn sie sehr aufgeregt war, übertrug sich das schnell auf ihr Pony und dann konnte es passieren, dass sie bei den leichtesten Hindernissen Abwürfe hatte.
Anna liebte die Atmosphäre bei den Turnieren. Alle waren aufgeregt und pusselten bis zur letzten Minute an ihren Ponys herum, um sich dann beim Einreiten gegenseitig zu beäugen. Schon beim Probespringen auf dem Einreiteplatz spürte man die Blicke der anderen Reiterinnen. Wenn dann die Ansagen durch den scheppernden Lautsprecher ertönten, bekam man eine angenehme Gänsehaut.
Fröhlich hüpfte Anna die Treppe hinunter. Sie hatte noch Hunger und wollte sich eine Portion Cornflakes aus der Küche holen.
Ihre Eltern saßen im Wohnzimmer und schauten eine Tierreportage. Nora hockte wie immer an Isabel gekuschelt mit auf dem Sofa.
„Sagt mal, wer von euch bringt Fee und mich eigentlich morgen zum Turnier und wann sollen wir losfahren?“, fragte Anna, die Cornflakes-Packung in der Hand.
Isabel stellte ihr Rotweinglas auf den Couchtisch und Rolf ließ die Fernbedienung sinken.
„Oje, ist das schon morgen?“, fragte Isabel.
„Natürlich ist das morgen“, gab Anna patzig zurück. „Hast du das etwa vergessen?“
Rolf drehte sich zu Isabel um. „Ich befürchte, dann haben wir ein Problem.“
Isabel blickte ihre Tochter ernst an. „Morgen habe ich doch den ganzen Vormittag das Alexander-Technik-Seminar und um zwei beginnt schon der Ferien-Reitkurs. Du weißt doch, diese Aktion, die das ganze Wochenende dauern soll. Ich kann hier beim besten Willen nicht weg, Anna.“
Anna mochte ihren Ohren nicht trauen. „Hast du mir nicht letztens noch gesagt, dieses Seminar würde gar nicht stattfinden, weil sich zu wenige angemeldet haben?“
Die Mutter seufzte. „Eine von den Frauen hat in ihrem Yoga-Kurs heftig Reklame gemacht. Plötzlich war der Kurs voll. Ich hab’s bei all der Aufregung vergessen dir zu sagen.“ Sie schielte zu Nora, die ganz klein in sich zusammengesunken war. „Tut mir leid, Schatz.“
Anna stampfte mit dem Fuß auf. „Papa, dann musst du Fee und mich eben hinbringen.“
Aber auch Rolf schüttelte den Kopf. „Sorry, Anna, aber ich hab morgen erst mal Nora-Tag.“
„Wie, Nora-Tag?“, zischte Anna. „Dann kommt Nora eben mit. Wo ist das Problem?“
Rolf erhob sich aus seinem Fernsehsessel und schob Anna vor sich her in die Küche. „Komm mal mit.“
„Ich muss mit Nora morgen früh zur Therapie“, erklärte ihr Vater im Flüsterton. „Vor Mittag sind wir sicher nicht zurück. Anschließend wollte ich nach Hannover fahren, um Christine zu besuchen. Ich habe vorhin erfahren, dass Stefan jetzt auch so weit wieder auf dem Damm ist, dass er Besuche verkraften kann. Aber Nora kann ich nicht mitnehmen, das würde sie emotional zu sehr belasten, weißt du? Es wäre zu viel für sie, zu ihren Eltern zu fahren, aber nicht bei ihnen bleiben zu dürfen. Und da dachte ich, dass du dir vielleicht am Nachmittag etwas Zeit für sie nehmen könntest …“
Stefan lag immer noch an Schläuche und Kabel angeschlossen auf der Intensivstation. Das wäre sicher kein Bild für seine Tochter, das sie so leicht verdauen könnte. Anna verstand das. Und dennoch …
Rolf fasste Anna bei den Schultern. „Dafür hast du doch Verständnis, Anna, oder?“
„Ja, ja!“, fauchte Anna. „Immer muss ich Verständnis haben für Nora. Immer muss ich wegen ihr zurückstecken. Hier ist doch mittlerweile jeder Tag ein Nora-Tag. Dann kann ich ja morgen nicht mal reiten gehen. Weißt du, bis wo mir das steht, Papa? Bis hier!“ Anna hielt sich die Handkante gegen die Unterlippe. „Von mir will sie doch sowieso nichts wissen!“
„Anna“, sagte Rolf, jetzt in einem strengeren Ton. „Es ist doch für uns auch nicht leicht, alles unter einen Hut zu kriegen. Das morgen, das ist doch nur ein E-Springen. Das kann doch nicht so wichtig
Weitere Kostenlose Bücher