Reiterferien auf Ponyhof Muehlental - Band 1-3
eine Sache konzentrieren, und das Wissen, etwas zu Ende gebracht zu haben, das stärkt ihr Selbstbewusstsein.“
Anna nickte schweigend zum Zeichen, dass sie ihre Mutter verstanden hatte, aber gleichzeitig ging ihr auch der Gedanke durch den Kopf, dass sie gar nicht wollte, dass Nora besser Kontakt zu Fee aufnahm, denn Fee war ihr Pony. Sollte Nora sich doch ein anderes aussuchen! Aber zähneknirschend stimmte sie zu.
Isabel ahnte offenbar, was in Anna vorging, und fügte hinzu: „Wir sollten ihr die Sache doch so leicht wie möglich machen und wenn sie sich nun mal Fee wünscht …“
Sie strich Anna über den Kopf. Eine Geste, die Anna plötzlich überhaupt nicht mehr leiden konnte. „Außerdem würde Mücke sich auch freuen bei diesem schönen Wetter mal draußen bewegt zu werden, anstatt immer nur an der Longe zu laufen.“
Anna fand dieses Argument blöd, denn natürlich wurde Mücke, wie alle anderen Ponys und Pferde, regelmäßig im Gelände bewegt. Aber sie wusste, was ihre Mutter ihr damit sagen wollte.
„Es ist so wichtig, dass Nora ihre Mitte wiederfindet“, sagte Isabel.
Solche Erklärungen klangen in Annas Ohren immer reichlich hochgestochen. Es war doch klar, was Nora wollte. Sie wollte, dass ihre Eltern wieder gesund waren, sie wollte nach Hause zu Christine und Stefan, sie wollte, dass alles wieder war wie vor dem Unfall, und sie wollte den Unfall vergessen. Aber musste das alles auf ihre, Annas, Kosten gehen? Anna hatte das Gefühl, als sei nur sie diejenige, die plötzlich auf alles verzichten sollte, nur damit es Nora gut ging!
Doch als Anna beobachtete, wie sich ihre kleine Cousine an Fees Rücken klammerte, verstand sie, was Isabel gemeint hatte. Noras Welt war aus dem Gleichgewicht geraten, und zwar so heftig, dass sie sich noch nicht einmal traute sich auf Fees Rücken aufzurichten. Und Isabel ließ sie gewähren, drängte sie nicht sich hinzusetzen und ließ ihr alle Zeit, die sie brauchte.
„Dafür bewundere ich deine Mutter ja“, meinte Luisa. Anna verstand nicht sofort, was Luisa meinte. „Wofür?“ „Für diese Geduld“, antwortete Luisa. „Tag für Tag, Runde für Runde sieht sie zu, wie Nora sich an Fees Rücken krallt, und sie verliert trotzdem nicht die Geduld. Also, ich hätte Nora sicher schon lange dazu gedrängt, sich endlich gescheit hinzusetzen.“
„Hm“, knurrte Anna. „Ich wünschte, mit mir hätte sie auch mal so viel Geduld.“
„Du wirst dich wohl oder übel damit abfinden müssen, dass Nora noch eine Weile im Mittelpunkt steht. Ist einfach so. Apropos“, sagte Luisa und zeigte in Noras Richtung. „Sie krallt sich gar nicht mehr fest, siehst du?“
Beide Mädchen wussten, dass das ein großer Fortschritt war.
Anna schnaubte. „Was ist schon so schwer daran, sich auf dem Pferderücken aufzurichten? Ist doch eigentlich das Einfachste von der Welt.“
Doch was für eine Überwindung es für Nora bedeutete, wurde den Mädchen bewusst, als Nora sich eines Tages entschloss ihre Kauerhaltung aufzugeben und sich auf Fees Rücken zu setzen. Ihre kleinen Hände umklammerten die Haltegriffe, dennoch rutschte ihr Po immer wieder zur Seite weg. Jetzt eilte Isabel an ihre Seite, um sie zusätzlich ein wenig zu stützen. In einer Tour redete sie auf Nora ein.
„Das macht sie wohl, um Nora abzulenken“, sagte Adelheid, die plötzlich neben den Mädchen aufgetaucht war.
„Aber warum denn ablenken?“, fragte Luisa. „Ich denke, sie soll sich konzentrieren.“
Adelheid nickte. „Ja, aber wenn sie überkonzentriert ist, dann verkrampft sie und verliert jegliches Körpergefühl. Seht ihr? Jetzt klappt es besser.“
Endlich erreichten sie gute Nachrichten aus Hannover. Nachdem Rolf seine Schwester und seinen Schwager ein weiteres Mal besucht hatte, konnte er berichten, dass Noras Mutter nun in eine Rehabilitations-Klinik verlegt wurde. Sie machte gute Fortschritte und würde sicher bald wieder nach Hause können. „Noch zwei bis drei Wochen, hat der Arzt gesagt“, erzählte Annas Vater. Man konnte ihm die Erleichterung ansehen.
„Und was ist mit Stefan?“, fragte Anna, die wusste, dass die Genesung ihres Onkels nicht so gut vorangeschritten war. Aber auch er schien sich langsam zu erholen. „Er hat leider noch ein paar Operationen vor sich, denn sein rechtes Bein hat es übel erwischt. Ansonsten ist er stabil.“ Aus dem Augenwinkel sah Anna, dass in Noras Augen Tränen glänzten. Sie hatte die ganze Zeit schweigend auf der Küchenbank gesessen
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