Reiterhof Birkenhain 01 - Aufregung im Stall
Treppe hochstiegen. Die Nervis? Hier oben?
Betont lässig schlenderten die beiden an den Bügeln mit den Kostümen der Spanierinnen entlang.
»Oh, wie süüüß, diese Kleider«, sagte Dina-Dorothee spitz und es klang wie »Wie kann man bloß in solchen albernen Fetzen reiten.«
»Seht bloß zu, dass ihr von unseren Quadrille-Sachen wegkommt.«
Jules Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen.
». . . unsere Quadrille-Sachen«, äffte Dina-Dorothee nach. »Ihr mit eurer dämlichen Quadrille. Wie kann ein Mensch sich mit diesen grottenhässlichen Fummeln aufs Pferd setzen?«
»Ihr seid ja nur sauer, dass ihr nicht dabei seid«, mischte sich jetzt Conny ein, »und dass ihr Axel Rakete nicht umgurren könnt. Was wollt ihr eigentlich?« Mia-Mathilde lief rot an. Dass sie und ihre Schwester den jungen Reitlehrer anhimmelten, sollte eigentlich geheim bleiben.
Hastig drückte sie Jule zwei gelbe Schwämme in die Hand. »Hier, deine blöden Schwämme. Nagelneu. Damit Ruhe ist.« Ihre Schwester sagte: »Genau.«
»Bisschen spät, was?«
Jule nickte knapp und warf die Schwämme achtlos zu ihren Sachen ins Heu.
»Immerhin. Sie wollen es wieder gutmachen«, flüsterte Luisa Jule zu. Doch Jule wollte so etwas gar nicht hören. Diese Ziegen!
Jule konnte die beiden nicht ausstehen. Jules Vater meinte, das sei lächerlich. Er fände die Gerlach-Zwillin-ge reizend (deren Eltern kauften unaufhörlich festverzinsliche Wertpapiere bei Peter Ahrends Bank). Jules Vater sagte, Jule sei nur neidisch, weil die Zwillinge Privatpferde hätten.
Klar war sie neidisch!
Es war aber nicht so, dass sie den Zwillingen ihre Pferde nicht gönnte. Das nicht. Jule hätte aber für ihr Leben gern auch ein eigenes Pferd gehabt. Und dass dieser Traum so aussichtslos war, das fand sie schreiend ungerecht.
Aber jetzt war keine Zeit sich über die ungerechte Verteilung von Privatpferden auf dieser Welt aufzuregen. Herr Jensen rief nämlich von unten: »Nun aber los.« Und diesmal hieß das: »Hoffentlich sitzt ihr bald auf den Pferden.«
In einem Affentempo fegten die Mädchen die Treppen hinunter. Wie auf ein Signal hin wurden sämtliche Boxentüren gleichzeitig zurückgeschoben. Mit den
Pferden am Zügel ordneten sich die Reiterinnen hintereinander auf der Stallgasse ein.
Die Besucher reagierten darauf völlig überrascht wie bei jedem Reiterfest. Mit »Oh« und »Ah« und »Großer Gott«. Keiner von ihnen schien ernsthaft damit zu rechnen, dass ihm in einem Pferdestall Pferde begegneten. Es war immer wieder verblüffend, wie wenig ein erwachsener Mensch von Ställen wusste.
Jule unterdrückte ein Grinsen, als sie mit Sally an den Besuchern vorbeiging.
Gut, es hörte sich gewaltig an, wenn 60 Pferdehufe über das Pflaster klapperten. Aber mussten die Leute darum so tun, als käme ihnen eine Gruppe Monster entgegen? So benahmen sie sich jedenfalls, wie sie mit weißen Nasen und flach angelegten Armen an den Wänden klebten.
Ganz offen durfte man natürlich seine Überlegenheit nicht zeigen. Dann konnte Herr Jensen fuchsteufelswild werden. »Schließlich ist es ganz normal, dass man zunächst Respekt vor so einem großen Tier hat«, fand er. »Wehe, ich erwische einen von euch, der sich arrogant benimmt, wenn ein Anfänger kommt.«
Während die anderen hintereinander zur Reithalle gingen, war Conny noch bei Rocky in der Box geblieben. Der freche Traber von der Morgenwiese war nicht wieder zu erkennen. Mit bebenden Nüstern und aufgerissenen Augen warf Rocky seinen Kopf aufgeregt hin und her.
Normal war er wirklich nicht, da hatte Herr Jensen ganz Recht. Einerseits zettelte Rocky ständig Streit an, andererseits geriet er schnell in Panik wie jetzt. Conny war aber darauf gefasst.
»Alles halb so schlimm.«
Beruhigend redete Conny leise auf den Traber ein. Sie wusste, dass diesmal die Musik aus den Lautsprechern schuld war, dass Rocky vor Aufregung zitterte.
»Er hat Angst, wenn er Musik hört«, hatte Herr Jensen gesagt, als Rocky das erste Mal so reagiert hatte. »Die Musik ruft bei ihm wohl schlechte Erinnerungen wach.«
Beim Rennen auf der Trabrennbahn war nämlich auch laute Musik aus Lautsprecherboxen üblich. Was auf der Rennbahn vorgefallen war, wusste natürlich niemand. Nur so viel: Rockys Karriere dort war schon mit dreieinhalb Jahren beendet gewesen. Er war ausgemustert und verkauft worden. Zu langsam und nicht nervenstark genug, fand sein Besitzer.
Als Rocky kam, war er das reinste Nervenbündel. Gerade darum hatte
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