Reiterhof Birkenhain 08 - Achtung Pferde in Not
flüsterte Conny.
Obwohl Imke zu den Nervis gehörte, tat sie allen schrecklich Leid. Sie wussten, wie sehr sie selber leiden würden, wenn ihrem Lieblingspferd etwas passieren würde.
In dem rot geklinkerten Haus ging das Licht an. Gleichzeitig ertönte Bastians Warnpfiff. Mist. Herr Rosenfelder war also doch da.
»Verdammt«, rutschte es Conny heraus.
Die Haustür knarrte und ein kleiner, alter Mann mit ausgebeulter Cordhose schlurfte auf sie zu. Seine fröhliche blonde Lockenmähne stand in merkwürdigem Kontrast zu seinem abweisenden Gesichtsausdruck. In der Hand hielt er eine Taschenlampe, deren Lichtkegel er auf den Gesichtern der ungebetenen Besucher tanzen ließ.
»Was treibt ihr hier?«, knurrte er unfreundlich. »Das ist Privatgelände. Ihr habt hier nichts zu suchen.«
Er griff in seine Hosentasche. Conny blieb fast das Herz stehen, weil sie an eine Pistole dachte, aber Herr Rosenfelder holte nur ein Handy heraus, mit dem er vor ihren Nasen herumfuchtelte. »Verschwindet oder ich rufe die Polizei.«
Als er tatsächlich Anstalten machte, die Nummer einzugeben, löste sich Imke aus der Gruppe.
»Aber Herr Rosenfelder, Sie kennen mich doch. Ich war schon öfter hier.«
Der Mann stutzte. Unter der blonden Löwenmähne schien es zu arbeiten. Sein Gehirn rief wohl gerade alle Bilder von Mädchen ab, die er in den letzten zwölf Monaten auf seinem Grund und Boden gesehen hatte. Es schien zu funktionieren, denn sein Gesicht hellte sich etwas auf.
»Ach, du bist die Kleine aus Hamburg. Die den Deichgraf gebracht hat.« Er nickte zufrieden. »Und ich dachte schon, da kämen wieder ... Klaubrüder. Hier ist schon zweimal eingebrochen worden. Alle Sättel weg.«
»Aber nein, Herr Rosenfelder.« Imke verschluckte sich vor Aufregung und bekam Seitenstiche. »Wir wollten einfach sehen, wie es Deichgraf geht.«
Imke holte tief Luft. Auf einmal wurde sie ganz blass und fing an zu zittern. Sie umklammerte den Arm des kleinen Mannes, ohne es selber zu bemerken.
»Herr Rosenfelder, was ist mit Deichgraf? Er steht nicht mehr in seiner Box. Heute war Pferdemarkt in Bargteheide, und weil Deichgraf doch immer lahmte, da dachte ich ... ich meine, da hatte ich Angst, dass er ... «
» ... da habt ihr euch gedacht, dass Frau Decker den Deichgraf verscherbelt hat«, ergänzte Herr Rosenfelder. »Nicht schlecht kombiniert. Hm, ich kann euch nicht viel erzählen. Ich habe nur mitbekommen, dass die Decker und ihr Mann das Pferd heute früh abgeholt haben. Hab's auch nur durchs Fenster gesehen, war gerade beim Rasieren. Tja, mehr weiß ich nicht.«
Imke ließ seinen Arm los. Alle fünf Finger von Imkes Hand hatten deutliche Spuren hinterlassen. Herr Rosenfelder rieb die roten Druckstellen und murmelte: »Also, ich sage es nicht gern, aber dem Pferd ging es bestimmt nicht gut. War kaum auf den Hänger zu kriegen.« Niedergeschlagen machten die Mädchen sich auf den Weg zum Auto.
Zu wissen, dass Deichgraf nicht in seinem Stall stand, war fast noch schlimmer als die Ungewissheit vorher. Bis dahin konnten sie noch hoffen, dass alles nur Hirngespinste waren. Aber nun? Die bange Frage, wo Deichgraf steckte, blieb unbeantwortet.
»Als wir nach Bargteheide hereinfuhren, habe ich eine Telefonzelle gesehen«, sagte Conny, als sie wieder im Auto saßen und den Jungen alles erzählt hatten. »Warum rufen wir diese Frau Decker nicht an? Hast du ihre Nummer, Imke?«
Imke zuckte hilflos mit den Schultern. Ihr war übel. Die Aufregung war ihr fürchterlich auf den Magen geschlagen und sie hatte das Gefühl, dass ihr Mittagessen jeden Moment wieder herauswollte.
Ausgerechnet Jule, die meistens am schlechtesten von allen auf Imke zu sprechen war, kam ihr zu Hilfe. »Wird ja wohl ein Telefonbuch in der Zelle liegen, in dem wir Frau Decker finden.«
Kurz drauf stoppte der grüne Wagen vor dem Telefonhäuschen und Imke kletterte heraus, gefolgt von Conny. Das Licht in der Zelle war so schummerig, dass Imke Mühe hatte, die endlosen Namenskolonnen zu lesen. Zu allem Ärger war das Telefonbuch arg zerfleddert, als hätten hier Vandalen gehaust. Einige Seiten - zum Glück nur die von H bis K - fehlten ganz.
»Decker, Jörg, Steuerberater, Hurtigstraße 24.«
Endlich hatten sie den Namen gefunden. Da kein anderer Decker eingetragen war, musste es sich um die richtige Adresse handeln. Imke ließ es lange klingeln - doch niemand nahm ab. »Vielleicht hast du dich verwählt«, sagte Conny, die sich neben Imke in die Zelle gezwängt hatte.
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