Reiterhof Birkenhain 08 - Achtung Pferde in Not
»Wir haben uns Sorgen um King Louis gemacht«, sagte sie. »Er hat doch Fieber ... oder?«
Der Chef blickte sie zweifelnd an. »Na, wenn das mal stimmt«, brummelte er. »Das Fieber hat er gerade erst seit einer Stunde. Ihr führt doch bestimmt etwas anderes im Schilde.«
Es hatte keinen Sinn, Jensen etwas vorzumachen. Dazu war auch keine Zeit. Sie mussten schnell handeln. »Haben Sie zufällig heute Mittag Fernsehen geguckt, Herr Jensen?« Imke nahm einen Anlauf.
Kai Jensen stemmte beide Hände in die Seiten.
»Nein, zum Teufel. Was glaubt ihr wohl, was ein Stallbesitzer den ganzen Tag macht? Fernsehen, Bücher lesen, im Internet surfen? Und wer mistet aus, füttert, gibt Unterricht, misst Fieber, macht Reitpläne, besorgt neues Stroh? Na?«
Er war so richtig in Fahrt. Sein Lieblingsthema: Die ganze Arbeit bleibt an mir hängen.
»So war es ja nicht gemeint.« Conny verdrehte die Augen. »Es ist nur so ... im Fernsehen wurde der Schlachtpferde-Transporter gezeigt. Unser Transporter. Die Polizei hat ihn gestoppt, genauso wie Sie es vorausgesagt hatten. Also... da wollten wir uns bei Ihnen bedanken.« »Ach, das ist gut«, sagte Herr Jensen, rieb das Thermometer an seiner Reithose ab und steckte es in die Schutzhülle. »Geht es diesen Brüdern endlich an den Kragen! Ist eine Schweinerei, was sich bei den Transporten abspielt. Klasse, dass ihr das geschafft habt. Und Deichgraf? Habt ihr etwas erfahren?«
Conny und Imke nutzten die Gunst der Stunde. Ohne Luft zu holen, schilderten die beiden abwechselnd, was sie in dem TV-Bericht gesehen hatten. Nein, Deichgraf hätten sie nicht entdeckt. Es seien allerdings nur vier Pferde gezeigt worden. Natürlich müssten sie unbedingt wissen, ob Deichgraf dabei sei. Und um das herauszufinden, gäbe es nur eine Möglichkeit - zum Rastplatz »Dammer Berge« zu fahren und nachzusehen. Am besten sofort. Und am besten mit ihm, Kai Jensen. Und natürlich mit Hänger, um Deichgraf gleich einzuladen und mitzunehmen, falls er dabei sei.
Erwartungsvoll sahen sie Kai Jensen an, als sie fertig waren. Doch zu ihrer Enttäuschung schüttelte der den Kopf.
»Ich kann euch ja verstehen«, sagte er, »aber ich kann hier nicht einfach weg, wann ich will. Und mit Hänger schon gar nicht. Was glaubt ihr? Selbst wenn wir Deichgraf finden - ich kann ihn doch nicht einfach einkassieren und mitnehmen. Das wäre ja Diebstahl.«
»Aber wenn die Leute doch Tierquäler sind, die diese Transporte machen«, sagte Conny entrüstet.
Herr Jensen hob die Arme. »So sind die Gesetze. Ich verstehe sie manchmal auch nicht.«
»Aber man könnte ihn doch freikaufen«, sagte Imke verzweifelt. Herr Jensen nickte.
»Sicher, wäre das eine Möglichkeit. Aber wer soll das bezahlen? Und wenn ihr ihn gekauft habt, was dann? Er muss ja wieder eine Box haben und einen Tierarzt. Du weißt doch, Imke - dein Vater hat dafür im Moment einfach kein Geld. Darum hat er Deichgraf ja an Frau Decker verkauft und ... «
Conny quiekte laut auf.
»Frau Decker .. . das ist die Idee. Komm, Imke, versuchen wir noch mal sie anzurufen. Bestimmt will sie auch nicht, dass Deichgraf nach Italien gebracht wird.« Schon lief Conny zum Telefon in die Sattelkammer und nahm den Hörer ab. Imke hinterher. Die Telefonnummer von Frau Decker stand auf ihrem Handrücken. Die Zahlen hatte sie gestern mit Kugelschreiber auf die Haut geschrieben, damit sie die Nummer immer griffbereit hatte.
Endlos ging das Klingelzeichen durch. Aber Frau Decker meldete sich nicht. Mutlos legte Imke auf.
Plötzlich fiel Conny noch etwas ein. Sie schlug sich gegen die Stirn.
»Dass wir nicht eher darauf gekommen sind«, stöhnte sie. »Ruf doch einfach in der Tierklinik Bargteheide an, ob Deichgraf da steht.«
Die Telefonnummer stand auf der Notfall-Liste, die neben dem Apparat hing.
In der Klinik wollten sie keine Auskunft geben. Die ärztliche Schweigepflicht gelte auch für Pferde. Aber dann schaltete sich Herr Jensen ein. Er kannte einen Tierarzt in der Klinik, schilderte kurz den Fall und erfuhr dann: »Ein Pferd namens Deichgraf ist nicht hier.«
Herr Jensen telefonierte dann noch einmal.
»Kannst du die Zahnlücken-Gruppe heute übernehmen, Axel?«, fragte er. »Al Steinberg soll die Boxen ausmisten. Ich muss dringend weg, zur Raststätte >Dammer Berge<. Was ich da will? Das ist eine lange Geschichte. Später mehr.«
Auf der Autobahn schwankte die Stimmung ständig zwischen Hoffnung und Gereiztheit.
Als sie auf der Weserbrücke vor Bremen in
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