Reiterhof Birkenhain 08 - Achtung Pferde in Not
Polizeibegleitung war Josephs Lastwagen zu dem Bauernhof bei Bersenbrück gebracht worden, berichtete Conny weiter.
» . . . und genau dahin sind wir im Augenblick unterwegs. Bitte? Ob Deichgraf dabei war?«
Conny warf einen raschen Seitenblick zu Imke hinüber, die sofort nervös mit den Wimpern zuckte, als der Name fiel.
»Nein, wir wissen noch nicht, ob er dabei ist. Aber in zehn Minuten sind wir schlauer. Klar, wir halten euch auf dem Laufenden. Okay . . . tschüss dann.«
Conny legte das Handy ins Handschuhfach zurück. Herr Jensen ließ die Scheibe an der Fahrertür herunter. Der schwere Geruch von frisch gepflügtem Ackerboden drang in den Wagen. Es roch nach Kartoffelernte.
Sie fuhren an Zäunen vorbei, an denen rote und gelbe Dahlien lehnten und leuchtend blaue Herbstastern. Vor einigen Häusern standen niedrige Verkaufsstände mit Kartoffeln und Äpfeln.
Conny drückte die Nase gegen die Scheibe.
»Ich habe Hunger«, sagte sie. »Tut mir Leid, ich weiß, das hört sich irgendwie unpassend an. Trotzdem . . . jetzt ein Stück Apfelkuchen ... «
In der Eile hatte sie heute Mittag nur eine Tüte Weingummi eingesteckt. Imke warf Conny einen verständnislosen Blick zu. Sie hätte jetzt keinen Bissen herunterbekommen.
Conny zog die Nase kraus und stopfte sich eine Hand voll Gummibärchen in den Mund.
Neben der Straße wechselte jetzt die Aussicht. Endlose Wiesen dehnten sich vor ihnen aus. In einiger Entfernung grasten dunkelbraune Pferde. Im milden Dunst wirkten sie unwirklich, wie ein Bild, das man in Zeitlupe festhält.
Kai Jensen zeigte auf die Koppeln. »Hannoveraner und Oldenburger züchten sie hier. Schöne Pferde.«
»Die in Josephs Transporter sind auch schön«, sagte Imke heftig.
Bevor Herr Jensen antworten konnte, bog die Wagen-Kolonne vor ihnen nach einer weit gestreckten Kurve in eine Einfahrt ein. Sie waren da!
Die rote Schnauze von Josephs Transporter leuchtete ihnen vom Hof des Niedersachsen-Bauernhauses entgegen. Das Ungetüm nahm einen großen Teil des Vorplatzes ein. Mit Mühe fanden die drei heranrollenden Autos Platz neben den beiden Polizeiwagen, die an der Seite des Lasters abgestellt waren.
Kai Jensens Wagen stand am nächsten zu einer Wiese, auf der fast 20 Pferde dicht beieinander standen. Ausgehungert schlugen sie ihre Zähne in die letzten spärlichen Herbstgräser und rissen dabei ganze Wurzelstücke mit Erde heraus.
Das mussten die Pferde aus dem Transporter sein! Für Conny und Imke gab es jedenfalls keinen Zweifel.
Die Mädchen stürzten aus dem Wagen, bevor er richtig angehalten hatte. Neben dem Bauernhaus - die Seitenwand war mit eisernen Pferdeköpfen verziert - führte ein schmaler Pfad zur Koppel hinauf. Conny und Imke rannten über den festgestampften Sandweg, um zu den Pferden zu kommen. Herr Jensen war ihnen dicht auf den Fersen.
»Nicht anfassen«, rief er keuchend. »Wer weiß, ob sie krank sind. Dann steckt ihr mir zu Hause alle Schulpfer-de an.«
Außer Atem blieben die drei vor dem Holzzaun stehen. Neben dem Gattertor stand ein silbergrauer Kombi mit hochgeklappter Hecktür. Im Kofferraum war ein Einsatz aus vielen Schubladen eingebaut, die teilweise aufgezogen waren. Salben und Spritzen lugten heraus. Genauso sah es im Wagen von Dr. Teichmüller aus.
»Der Tierarzt scheint gerade da zu sein«, stellte Kai Jensen mit einem Blick auf den Kombi fest. »Der kann uns sicher mehr sagen.«
Imkes Finger umklammerten den Pfosten des Gattertors. Ihr Blick ging rasch von Pferd zu Pferd.
»Seht ihr Deichgraf?«, fragte sie nervös. »Ich nicht.« Obwohl die Wiese genug Fläche hatte, standen alle Pferde auf einem Fleck, sodass man leicht einen Überblick bekam. Die meisten waren Braune oder Füchse, breit und stämmig, mit dichten, gewellten Mähnen. Was die rasierten Zeichen und Striche in ihrem Fell bedeuteten, mochte man sich nicht vorstellen. Sicher so viel wie »Der kommt weg«. Nur wenige Tiere sahen aus wie Reitpferde.
In einer Ecke der Wiese war ein schmales Stück mit rot-weißen Absperrgittern abgeteilt.
Aus der Pferdegruppe löste sich jetzt ein schlanker, weißhaariger Mann, eine geräumige Arzttasche in der Hand. So eine, wie sie auch Dr. Teichmüller immer mitbrachte. Offensichtlich also der Tierarzt.
Der Mann setzte die Tasche ab und schleifte die vier schweren Gittersperren zur Seite. Dahinter hatte er vorhin die Pferde einzeln untersucht.
Er stiefelte zu den Leuten am Gatter hinüber. Inzwischen waren die anderen nachgekommen, Anne mit
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