Reiterhof Birkenhain 09 - Spuk im Stall
Ohlstedt. Oder etwa nicht, Peter?«
Der angesprochene Peter nickte.
Peter hieß komplett Peter Ahrend und war Jules Vater. Dass er heute in einem Ballon über Hamburg schweben würde, hatte er sich gestern nicht träumen lassen. Vielmehr schien es so, als ob die Ballonreise, ein Geschenk seiner Bank, dieses Jahr nicht mehr klappen würde. Bei Nebel und Sturm starteten die Ballone nicht. Aber dann kam gestern Abend plötzlich der Anruf von der Ballonfahrt-Firma: »Die Wettervorhersage für morgen ist günstig. Können Sie um 14 Uhr hier sein?«
Und ob sie konnten!
Die Bank gab ihnen natürlich frei, die passende Kleidung lag bereit. Die vier Kollegen hatten zusammen eingekauft, in einem Laden für Uberlebenstouren.
Und so standen sie jetzt mit perfekter Wildnis-Ausrüstung im Ballon. Die schlammfarbenen Trecking-Jacken waren eigentlich für Bergtouren im Himalaya gedacht. Die krokodilgrünen Hosen wären für ein Überlebenstraining am Amazonas hervorragend geeignet gewesen. Aber für eine Landung in Hamburg ... na ja. Und die Lederstiefel mit hohem Schaft, bis zur Wade geschnürt, trug man normalerweise in der Wüste zum Schutz vor Skorpionen. Die schilfgrauen Wollmützen dagegen waren ein guter Kauf gewesen, denn sie schützten die Köpfe vor der Wärmestrahlung des Brenners, der den Ballon aufheizte.
Peter Ahrend hatte sogar ein Pfadfindermesser mitgenommen. Das musste er aber vor dem Start abgeben. »Spitze Gegenstände sind verboten«, hieß es.
Ein kräftiges Fauchen durchbrach sekundenlang die
Stille. Der Pilot betätigte den Gasbrenner, der die Luft in der roten Hülle in kurzen Abständen aufwärmte. Sofort stieg der Ballon höher.
»Da, der Duvenstedter Brook.«
Peter Ahrend lehnte sich nach vorn. Wie ein wilder Urwald sahen die Ausläufer des Naturschutzgebietes unter ihm aus. Die kahlen Aste der uralten Laubbäume spiegelten sich in den lang gezogenen Teichen, das erkannte man bis oben.
Eine Schulklasse kam ins Blickfeld. Die Kinder sprangen hoch und winkten. »Hallo, Ballon«, riefen sie nach oben. Der Ballon fauchte und glitt weiter über den wolkenlosen Himmel, Kurs Südost. Unten auf der Landstraße entdeckten die Ballonfahrer den roten Begleitwagen mit Anhänger, der dem Ballon folgte. Das Auto sammelte die Passagiere nach der Landung ein und brachte den Ballon zum Startplatz zurück. Uber Funk war der Fahrer mit dem Piloten verbunden. Mehr als eine Stunde dauerte die Fahrt durch die Lüfte jetzt schon.
»Vielleicht kommen wir sogar bis nach Großmoor-stedt«, hoffte Peter Ahrend. Er richtete seinen Camcorder auf die Mühle unter sich. »Das wäre natürlich ein Knüller, wenn ich fast zu Hause landen könnte.«
Der Pilot schob seine schwarze Baseballkappe zurück und wiegte den Kopf.
»Möglich ist das, aber Sie wissen ja ...«
Er unterbrach den Satz, weil das Fauchen des Brenners ohnehin jedes Wort verschluckte. ». . . den Landeplatz bestimmt der Wind. Wir suchen uns eine schöne Weide aus. Die Kühe und Pferde sind um diese Jahreszeit schon wieder im Stall.«
Da irrte der Pilot - aber das wusste er erst zehn Minuten später. Erst einmal nahm der Ballon Kurs auf den Lott-bacher Teich. Kurz davor wurde er leicht nach Süden getrieben.
»Scheint so«, sagte der Pilot, »als ob wir tatsächlich in Großmoorstedt landen. Wie bestellt...«
Er betätigte den fauchenden Brenner. Es gehörte eine Portion Erfahrung dazu, den Ballon weich herunterzubringen, und die besaß er. Abgeerntete Acker und ausgedehnte Wiesen kamen jetzt dichter heran.
Unter sich erkannten die Männer nun einen gelben Feldweg, auf den von einem Seitenpfad zwei Reiter einbogen. Vergeblich versuchten die beiden ihre Pferde unter Kontrolle zu bringen. Als der Ballon über den beiden Schimmeln fauchte, rissen sie ihre Köpfe hoch und gingen durch. In heller Panik sprangen die Pferde zur Seite und galoppierten auf einen Acker. Selbst ein Laie erkannte, dass es eine Frage von Sekunden war, bis die Reiter aus dem Sattel flogen.
Peter Ahrend wurde blass. »Meine Tochter reitet hier in der Gegend ...«
Der Pilot winkte ihm beruhigend zu. »Feuern muss ich. Aber für Notfälle habe ich den Kuhbrenner, der ist nicht so laut. Den ziehe ich, wenn Tiere unter mir sind. Meistens sind das Kühe, darum heißt das Ding so.«
Der Kuhbrenner fauchte tatsächlich viel leiser, höchstens wie ein ganz kleines Pantherjunges. Die Pferde beruhigten sich und ließen sich wieder auf den Reitweg lenken.
Der Ballon schwebte über eine
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