Reizende Gäste: Roman (German Edition)
Richard. »Hunger nicht.« Er sah zu Fleur. »Aber ich könnte ein Glas Whisky vertragen, denke ich.« Sie lächelte.
»Ich schenke dir einen ein«, sagte sie und verschwand im Salon. Richard schaute Gillian unglücklich an.
»Gillian«, sagte er leise. »Hattest du irgendeine Ahnung, daß so etwas zu erwarten stand? Wußtest du, daß Philippa so unglücklich war?«
»Nein«, erwiderte Gillian. »Ich hatte keine Ahnung.« Sie biß sich auf die Lippen. »Und doch, wenn ich jetzt nachdenke, da frage ich mich, ob es nicht die ganze Zeit offensichtlich war. Ob ich nicht etwas hätte merken müssen.«
»Stimmt. Genau das gleiche Gefühl habe ich auch.«
»Es kommt mir vor, als hätte ich sie im Stich gelassen«, seufzte Gillian.
»Du doch nicht!« erwiderte Richard in plötzlich grimmigem Ton. »Du hast sie nie im Stich gelassen. Wenn jemand sie im Stich gelassen hat, dann war das ihre Mutter!«
»Was?« Gillian blickte ihn mit kugelrunden Augen an.
»Emily hat sie im Stich gelassen! Emily war eine …« Schwer atmend brach er ab, und Gillian sah ihn entsetzt an. Eine Weile schwiegen beide.
»Ich war davon überzeugt, daß Emily unbekannte Seiten haben müsse«, sagte Richard schließlich. »Ich wollte unbedingt mehr über ihren Charakter erfahren.« Angewidert runzelte er die Augenbrauen. »Und nun scheint es so, als ob die süße, unschuldige Emily bloß eine … Fassade war! Die wahre Emily habe ich gar nicht gekannt! Und die wahre Emily hätte ich auch gar nicht kennen wollen !«
»Oh, Richard.« In Gillians Augen glitzerten Tränen. »Weißt du, durch und durch schlecht war Emily nicht.«
»Das weiß ich schon.« Richard rieb sich über die Nase. »Aber ich habe sie immer für vollkommen gehalten.«
»Niemand ist vollkommen«, sagte Gillian ruhig. »Niemand auf der Welt.«
»Ich weiß«, sagte Richard. »Ich war ein Narr. Ein einfältiger Narr.«
»Du bist kein Narr.« Gillian erhob sich. »Geh und trink deinen Whisky. Und vergiß Emily.« Sie schaute ihm gerade in die Augen. »Es ist an der Zeit, an die Zukunft zu denken.«
»Ja«, nickte Richard nachdenklich. »Das ist es, nicht wahr?«
Fleur saß auf dem Sofa im Salon, zwei Gläser Whisky an ihrer Seite.
»Du Armer«, murmelte sie mitleidig, als Richard den Raum betrat. »Was für ein entsetzlicher Abend.«
»Dabei weißt du noch nicht einmal die Hälfte«, stöhnte Richard. Er ergriff sein Glas und leerte es. »Fleur, manchmal frage ich mich, ob es auf der Welt überhaupt noch anständige Menschen gibt.«
»Wie meinst du das?« Fleur stand auf und füllte ihm sein Glas nach. »Ist heute abend noch etwas vorgefallen?«
»Man kann’s fast nicht erzählen, so abscheulich ist es«, knurrte Richard. »Wenn du es hörst, packt dich der Ekel.«
»Was?« Sie setzte sich auf das Sofa zurück und sah Richard erwartungsvoll an. Er seufzte und streifte seine Schuhe ab.
»Ich habe heute am früheren Abend Lambert in meinem Arbeitszimmer ertappt, wie er einen Brief von mir an mei-nen Rechtsanwalt fälschen wollte. Er steckt in finanziellen Schwierigkeiten, und er hoffte, mein Name würde dabei helfen, ihm die Gläubiger vom Hals zu halten.« Richard trank noch einen Schluck Whisky und schüttelte den Kopf. »Das Ganze ist widerwärtig.«
»Steckt er in ernsthaften Geldproblemen?«
»Ich fürchte schon.« Richard runzelte die Stirn.
»Du brauchst nicht weiterzuerzählen, wenn du nicht möchtest«, sagte Fleur rasch. Richard ergriff ihre Hand und schenkte ihr ein mattes Lächeln.
»Danke, Schatz, daß du so einfühlsam bist. Aber ich habe keine Geheimnisse vor dir. Und es tut mir so gut, darüber überhaupt sprechen zu können.« Er seufzte. »Äh … jemand hatte Lambert den Eindruck vermittelt, daß Philippa bald zu einer Menge Geld käme. Aufgrund dessen hat er begonnen, über seine Verhältnisse zu leben.«
»O je!« sagte Fleur. Sie zog die Nase kraus. »Ist das der Grund, warum Philippa …«
»Nein. Philippa weiß nichts von dem Geld. Aber die beiden hatten einen Streit. Philippa hatte gedroht, Lambert zu verlassen, woraufhin die Situation wohl ziemlich ausartete.« Richard sah Fleur liebevoll an. »Offenbar habt ihr zwei euch in London lange darüber unterhalten.«
»Lange wohl kaum«, entgegnete Fleur und verzog nachdenklich das Gesicht.
»Trotzdem, Philippa empfand deinen Rat als sehr hilfreich. Sie will dich unbedingt sehen.« Richard streichelte Fleurs Haar. »Ich glaube, sie fängt an, in dir eine Mutterfigur zu sehen.«
»Na, ich
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